: Angekündigtes Ende der Straflosigkeit
Richter hebt Amnestiegesetze für Verbrechen der Diktatur auf. Eröffnung hunderter weiterer Verfahren erwartet
BUENOS AIRES taz ■ Der neue argentinische Verteidigungsminister Horacio Jaunarena war keine 24 Stunden im Amt, da bereitete ihm schon ein Gerichtsurteil schwere Sorgen. Am Dienstag erklärte ein Richter in Buenos Aires, die von der Regierung Raul Alfonsín verabschiedeten Amnestiegesetze, durch die rund 1.180 Militärs bislang vor dem Arm des Gesetzes geschützt blieben, für „verfassungswidrig und ungültig“. Die Entscheidung des Richters Gabriel Cavallo fiel in einem Verfahren gegen zwei Offiziere, doch könnte dieser Spruch den Weg frei machen für hunderte Verfahren gegen die Schergen des damaligen Regimes.
Konkret ging es um den Fall Claudia Victoria Poblete. Sie wurde am 28. November 1978 mit acht Monaten gemeinsam mit ihren Eltern von einem Kommando der Militärs gekidnappt. In dem berüchtigten Gefangenenlager „El Olimpo“ wurde das Baby der Mutter entrissen und dem Oberleutnant Ceferino Landa übergeben, in dessen Familie sie aufwuchs. Nach Berichten von Überlebenden des Olimpo wurden beide Eltern schwer gefoltert und dann ermordet. Die Tochter erfuhr erst im vergangenen Jahr von ihrer wahren Identität, als die Menschenrechtsorganisation „Großmütter der Plaza de Mayo“ den Fall anzeigte. Ermittlungen wegen der Entführung und des Verschwindens der beiden Eltern waren durch das Befehlsnotstandsgesetz und das Schlusspunktgesetz unmöglich – wegen Kindesentführung konnte jedoch Anklage erhoben werden. So ließ der Ermittlungsrichter zwei der Kidnapper wegen Kindesentführung festnehmen und erhob Anklage.
Fast 700 noch immer aktive Mitglieder der argentinischen Streitkräfte haben bei Menschenrechtsorganisationen um Auskunft gebeten, was über ihre Aktivitäten während der Diktatur bekannt ist. Heereschef Ricardo Brizoni meinte, die Gesetze hätten dazu beigetragen, dass die Gesellschaft in den vergangenen Jahren „in relativer Ruhe lebte“.
Als die umstrittenen Gesetze 1986 und 1987 in Kraft traten, war Horacio Jaunarena zum ersten Mal Verteidigungsminister. Heute, während seiner zweiten Amtszeit, nennt er die Aufhebung der von ihm damals mit verabschiedeten Gesetze „wenig sinnvoll.“ Am 24. März wird der 25. Jahrestag des Putsches begangen. Bis dahin könnte es mit der Unantastbarkeit der Militärs vorbei sein. INGO MALCHER
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