„Frauen sind nicht solidarisch“


MODERATION: HEIDE OESTREICH

taz: Sie haben beide beachtliche Karrieren gemacht. Haben Sie dabei Frauenförderung genossen?

Sabine Asgodom: Immer – allerdings ohne Förderprogramme. Ich habe Chefredakteurinnen kennen gelernt, die haben mich gefragt, ob ich bei ihnen arbeiten möchte. Das waren inoffizielle Netzwerke, die sind eh besser.

Heide Pfarr: Jutta Limbach, die heutige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, hat mich quasi genötigt, in die Wissenschaft zu gehen, was ich damals für eine perverse Idee hielt. Eigentlich wollte ich gerade einen biologisch-dynamischen Bauernhof im Wendtland aufmachen. So musste ich Professorin werden.

Da gibt es sicher Schlimmeres, Frauenministerin zum Beispiel. Christine Bergmann möchte nun ein Gesetz, um Frauen in der Wirtschaft zu fördern. Die Unternehmer sagen: Schafft lieber Kinderbetreuung und Ganztagsschulen.

Pfarr: Das ist zu einfach. Zwar wird jede Frau wie eine zukünftige Mutter behandelt, obwohl ein Drittel der Frauen überhaupt keine Kinder kriegen wird. Aber es ist nicht nur die Kinderfrage. Darüber hinaus werden sie noch immer anders wahrgenommen als Männer. Ihnen wird weniger zugetraut, sie werden nicht entsprechend ihrer Qualifikation beurteilt, während Männer regelmäßig überschätzt werden. Das ist alles in Studien nachgewiesen, wird aber nicht umgesetzt.

Asgodom: Das liegt aber auch an den Frauen selbst: Sie wenden keine Strategien an, beachten die Spielregeln nicht. Sie sind einfach oft sehr unbeholfen.

Pfarr: Aber das hat doch mit ihrer Rolle zu tun.

Nach Bergmanns Vorschlägen sollen Betriebe sich Zielgrößen setzen: Wie viel Frauen in Führungspositionen sein sollen, wie sie weiterqualifiziert, wie Arbeitszeiten flexibler werden können. Was ist daran falsch?

Asgodom: Ich kenne diese großen Unternehmen mit ihren tollen Gleichstellungsprogrammen, die gehen auf jedes Podium damit: „Wir haben ein Mentoringprogramm!“ Und wenn man da mal hinguckt: Das sind 19 Frauen unter 100.000 Mitarbeitern. Das halte ich für – entschuldigen Sie – Verarschung. Mit dem Gesetz werden Frauen veralbert. Wer soll denn diese Maßnahmen durchsetzen?

Der Betriebsrat, laut Bergmann.

Asgodom: Die Betriebsräte? Ich war selbst Betriebsrätin. Die frauenfeindlichsten Äußerungen habe ich immer von Gewerkschaftern gehört.

Pfarr: Aber die Betriebsräte werden quotiert, nach dem neuen Betriebsverfassungsgesetz.

Asgodom: Das nützt doch nichts. Wie hat man denn das Betriebsverfassungsgesetz durchgesetzt? Das waren die Gewerkschaften, eine Masse. Frauen allein sind nicht solidarisch untereinander. Bei einer Zeitschrift, bei der ich arbeitete, wollte eine Frau eine Stunde früher anfangen zu arbeiten und eine Stunde früher gehen wegen ihrer Kinder. Sie hätte die Solidarität ihrer Kolleginnen gebraucht. Sie hat sie nicht bekommen. Es gibt so viele Lebensmodelle von Frauen: Und die einen können nicht ertragen, etwas für andere durchzusetzen.

Pfarr: Deshalb brauchen wir Druckmittel. Das Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass auch Frauenverbände gegen Diskriminierung klagen können. Und dass es keine staatlichen Aufträge mehr gibt, wenn in den Betrieben nichts passiert. Dann muss diskutiert werden. Da werden auch schreckliche Antworten kommen, aber zur Zeit diskutiert in den drei Millionen Unternehmen niemand.

Asgodom: Mit wem soll das denn diskutiert werden?

Pfarr: Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Asgodom: Die Frauen werden den Teufel tun und den Mund aufmachen! Sie haben doch mit Studentinnen zu tun, sie wissen wie 25-jährige junge Frauen sind. Die haben mit weiblicher Solidarität nicht viel am Hut.

Pfarr: Ja, furchtbar.

Asgodom: Die möchte ich sehen, die aufstehen und sagen: Recht haben Sie! Frauen voran! Haha.

Pfarr: Aber wenn sie mit dreißig mit der Nase an der Wand sitzen, kommen die zurück und sagen, jetzt wissen wir, worüber die Feministinnen gesprochen haben.

Asgodom: Und dann hören sie auf zu arbeiten, weil sie Kinder kriegen, und sind auch nicht auf der Betriebsversammlung.

Pfarr: Aber die scheiden ja doch nicht alle aus. Vielleicht sitzen dann doch welche auf der Betriebsversammlung und sagen: Mädels, das ist Mist. Wir lassen uns das nicht mehr gefallen.

Asgodom: Ich stelle mir den Besitzer einer New-Economy-Klitsche vor, die keinen Betriebsrat hat, und wo jede Frau, die ein Kind kriegt, rausfliegt, weg, basta. Der redet jetzt mit seinen MitarbeiterInnen über Gleichstellung, das ist ein Witz.

Pfarr: Deshalb braucht man die Sanktionen eines Gesetzes.

Asgodom: Die arme, arme Frau, die versucht, das einzuklagen.

Pfarr: Aber warum sollen wir den wenigen, die es machen wollen, keine Rechte geben?

Asgodom: Natürlich können wir Frauen stärken, aber eher mit Strategie-Workshops. Ich wünsche mir mehr Forschung und mehr Rollenvorbilder, die nach außen gehen: Eine Frau Künast tut tausend Mal mehr für Frauen als ein Gesetz.

Pfarr: Ohne die Quote bei den Grünen wäre das aber keine Frau Künast geworden. Außerdem geht es nicht nur um Spitzenpositionen. In den Jobs, in denen es nicht um die große Karriere geht, da würde gesetzliche Frauenförderung sehr viel nützen.

Asgodom: Jetzt kommt mein Gegenvorschlag: Warum nicht lieber die Unternehmen belohnen, die neue Arbeitszeitmodelle einführen und die Frauen tatsächlich fördern? Mit Steuererleichterungen etwa.

Pfarr: Die paar Unternehmen, die überhaupt Steuern zahlen, müssen Sie erst mal finden. Siemens bräuchte dann nie Frauen zu fördern ... Ich hätte einen besseren Anreiz: Wir entlasten endlich die einzelnen Betriebe von den Kosten, die ihnen durch Mutterschaften entstehen. Schweden hat da ein Versicherungsmodell entwickelt, das gut klappt.

Asgodom: Sehen Sie, wunderbare Vorschläge. Aber dieses Gesetz hat nur Mittel der Siebzigerjahre parat: Betriebsräte setzen durch, wenn nicht, gibt’s Sanktionen.

Pfarr: Alle Frauenrechte in der Wirtschaft sind gegen die Marktlogik durchgesetzt worden! Erst langfristig sehen die Unternehmen, dass qualifizierte Frauen ihnen etwas bringen. Da muss man nur mal auf den Fachkräftemangel verweisen.

Also geht es doch um Marktlogik. Die Unternehmen allerdings sagen: Wir wollen Frauen einstellen, aber sie sind nicht da. Es gibt nur 20 Prozent Frauen in den Studiengängen, die fürs Management relevant sind.

Pfarr: Dann frage ich mich aber, warum sie die wenigen, die es gibt, nicht einstellen. Ingenieurinnen sind häufiger arbeitslos als Absolventinnen der typischen Frauenstudiengänge in Geistes- und Gesellschaftswissenschaften.

Warum stellen die Unternehmen die Frauen denn nicht ein?

Asgodom: Zu 99 Prozent ist es die Kinderfrage. Da gibt es eine selektive Wahrnehmung: Die Unternehmen sagen, Frauen verlieren wir, weil sie Kinder kriegen. Sie nehmen nicht wahr, dass Männer auch oft verschwinden. Die wechseln sogar eher als Frauen in andere Jobs.

Pfarr: In Hamburg wurden Personalleiter befragt, wie hoch die Ausfallzeiten durch Schwangerschaften sind. Es wurde geschätzt, dass es zehn Prozent sind, es waren aber zwei. Das Problem, das mit Frauen verbunden wird, wurde um das Fünffache aufgebauscht. Wie viele Ausfälle haben Sie durch Kuren, wurde dann gefragt, die nehmen Männer nämlich oft in Anspruch. Das wussten alle ganz genau, da hat sich niemand verschätzt.

Asgodom: Da kenne ich einen wirklich intelligenten Mann mit einem guten Job im öffentlichen Dienst. Der sagt, du mit deinem Frauenkäse, Frauen werden doch sowieso überall befördert. Im öffentlichen Dienst werden ja gar keine Männer mehr eingestellt. Da frage ich dann immer, ja, wo sind denn deine ganzen frisch beförderten Kolleginnen? Solche Reaktionen verstärken Sie aber mit so einem Gesetz.

Pfarr: Da kommen wir an die Wurzel von Frauendiskriminierung. Wenn sie Frauen nicht mehr benachteiligen können, dann bekommen Männer Angst vor der Konkurrenz. Dann müssen sie sehen, dass Frauen nicht schlechter sind. Dann klappt die Abgrenzung nicht mehr. Das wird sehr aggressiv und sehr interessant.

Asgodom: Manchmal denke ich, große Unternehmen und Frauen sind nicht kompatibel. Ich würde Frauen raten: Macht euch selbstständig, dann habt ihr diesen ganzen Kram nicht am Hals.