Fragen an die Zukunft

■ Angela Guerreiros „Projekt Y“ auf Kampnagel

Womöglich sind die Zweifel an der Zukunft des Körpers im technologischen Zeitalter ein Generationsproblem. Zumal im Tanz, in dem der Körper Mittel zum Zweck ist. Altmeister Merce Cunningham, dessen Tanz stets Hand in Hand ging mit den Entwicklungen der Computertechnologie, sagt heute mit seinen 81 Jahren: „Für mich gibt es keinen Körper der Zukunft. Alles was ich tue, passiert jetzt.“ Dann sind da die ganz jungen, die sorglos mit ihren „sieben Leben“ spielen, eintauchen in den Cyberspace. Alles ist Realität.

Dazwischen ist die Generation der 30- bis 40-Jährigen, zu denen die Hamburger Choreografin Angela Guerreiro zählt. Und da zerrt und reißt das Unbehagen, wer wir eigentlich sind und was wir noch zu sagen haben, in einer computeranimierten, genmanipulierten Welt.

Es wirft sie zu Boden, die vier Tänzer, einschließlich der Choreografin selbst, die hier zur Premiere von Project Y auf Kampnagels Bühne agieren. Es stößt sie hin und her, vor und zurück, gegen den Takt der projizierten Bilder der Medienkünstler „Dura Lux“, die in unbeirrbarem Stakkato über drei Leinwände springen. Doch letztlich findet Guerreiro zu einem wunderbar leichten Humor.

„Altern? Alternativ!“ Miguel Pereira erfreut sich an dem Wortspiel, verrenkt die Glieder, bis er wie eine Eidechse über den Boden huscht. Dann tanzt sein Videobild auf Hemd und Hose, fährt schließlich zwischen dem Tryptichon der Leinwände gen Bühnenhimmel auf, lässt den Körper als dunklen Schatten zurück.

Im Laborcharakter ist die Handhabung der Technik manchmal noch recht wackelig. Doch die perfekte Illusion ist nicht das Thema, sondern eher die Ahnung von „was wäre wenn?“ Eine poetische Reise, die in Anspielungen und Zitaten aus Kunst, Musik und Tanz in einer physisch rauen, durch und durch sinnlichen Sprache Fragen an die Zukunft stellt. Und Dolly zuckt im makelos weißen Pelz auf der Weide neben Feldern von üppig aufgeblähten Sonnenblumen.

Das Leid mit der Schönheit trifft sie alle. Sasa Queliz spreizt ihren mageren Modelkörper in lasziven Posen. Joséphine Evrard gähnt. Aber dann legt sie los, rotiert wie eine aufgezogene Zwergenballerina auf ihren Knien über die Bühne. Ein hinreißend anmutiger Tanz. Sie geht ans Mikrophon, träumt sich in einen langbeinigen Körper.

Was sollen da die störenden Fragen über Sein und Schein aus dem Off? Die hört sie nicht mehr, lässt sich davontragen mit einem strahlenden Engelsgesicht. Und „Dura Lux“ setzen zum Flug über fla-ckernde Lichter der Stadt bei Nacht an. Im Gegensatz zum recht schwergängigen Vorläufer Project X hält Y Momente zum Abheben bereit. Irmela Kästner

Weitere Vorstellungen: 15.–18.3., 20.30 Uhr, Kampnagel, k2