„Um Schuld geht es nicht“

■ Zweitligist St. Pauli macht mit beim Entschädigungfonds für Zwangsarbeiter, Werder Bremen steht noch im Abseits. Auch sonst liegt Hamburg mit seinem finanziellen Engagement vorne

Hamburg ist stolz auf seinen jüngsten Neuzugang. Im Januar ist der Fußballzweitligist St.Pauli der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft für die Entschädigung von Zwangsarbeitern beigetreten. Die Spendensumme ist klein, 7.000 Mark, entspricht aber dem von der Stiftung gewünschten Promill des Jahresumsatzes. „Bei Unternehmen wie dem FC St. Pauli geht es doch hauptsächlich ums gesellschaftliche Gewicht“, sagt der Berliner Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski. Gerne hätte man deshalb auch einen Verein aus der ersten Liga unter den Spendern. Aber da sieht es düster aus. Noch ist kein Erstligist dabei – auch Werder Bremen nicht.

Hamburg liegt aber nicht nur in dieser Hinsicht vorn. 380 Unternehmen der Elbmetropole unterstützen die Stiftungsinitiative, in Bremen sind es gerade mal 50.

„Das ist natürlich keine tolle Zahl“. Kurz und knapp kommentiert Hartmut Müller, der ehemalige Leiter des Bremer Staatsarchivs, die Zahl. Sie spiegelt aber die bundesweite Situation: Noch immer fehlen rund 1,4 von fünf Milliarden Mark in dem Topf, den die deutsche Wirtschaft auffüllen soll, um Menschen für die Fron, die sie während der Nazi-Zeit zwangsweise für deutsche Firmen und Behörden geleistet haben, mindestens symbolisch zu entgelten. Weil die Neuzugänge nur noch reintröpfeln, ist jetzt Post aus Berlin unterwegs an diejenigen Unternehmen, die sich bereits beteiligt haben: Sie werden gebeten, ihren Beitrag aufzustocken, denn sie haben mit der ersten Zahlung ihre Bereitschaft zur Solidarität signalisiert. „Und darum geht es“, so der Initiativen-Sprecher Wolfgang Gibowski, „um Solidarität, nicht um ein Schuldeingeständnis.“

Dennoch scheint der Ruch, man habe Dreck am Stecken, noch immer ein Hindernisgrund für Firmen zu sein. Etliche Bremer Unternehmen wollen – so Uwe Nullmeyer, bei der Bremer Handelskammer für das sensible Thema zuständig – nicht öffentlich genannt werden.

Vielleicht raten in Hamburg mehr Image-Berater den Firmen zum offenen und selbstbewussten Umgang mit dem Thema. In Bremen ist die swb AG Beispiel dafür: Sie beschäftigt eigens einen Historiker, der zur Zwangsarbeit bei den damaligen Stadtwerken forscht.

Vielleicht liegt es aber auch an der – aus Sicht der bundesweiten Stiftungsinitiative – gelungenen Zusammenarbeit von Handelskammer und Politik, die in Hamburg mehr Firmen zur Teilnahme bewog. Neben den auch in Bremen gepflegten „bilateralen Gesprächen“ zwischen Kammer und Firmen hat dort vor wenigen Wochen die zweite große Veranstaltung zum Thema im Rathaus stattgefunden.

Sechshundert Menschen, hauptsächlich aus der Wirtschaft, lauschten dem Bericht eines Ex-Zwangsarbeiters aus der Ukraine, der im KZ Neuengamme gefangen gehalten wurde. Außerdem zeigten die Veranstalter – Hamburger Bürgerschaft und Handelskammer – noch den halbdokumentarischen Film „Das Heimweh des Walerjan Wrobel“. Der Film erzählt von einem polnischen Jungen, der auf einem Bauernhof Zwangsarbeit leistet – der Jugendliche wird kurz nach dem Todesurteil eines Bremer Gerichts exekutiert. „Während des Films“, so ein Mitarbeiter der Handelskammer an der Elbe, „hätten sie eine Stecknadel fallen hören können.“

Hartmut Müller, der auch Vorsitzender des Bremer Vereins Walerjan Wrobel ist und in diesem Jahr zum zweiten Mal eine Gruppe ehemaliger Zwangsarbeiter nach Bremen einladen wird, hat die Hoffnung auf mehr bremisches Engagement noch nicht aufgegeben. Diese Hoffnung schließt auch Werder ein: Müller will den Verein um Unterstützung für die Reise der Ukrainer bitten.

Zur Beteiligung am Stiftungsfonds wollte sich Werder Bremen gestern nicht äußern. „Das steht heute nicht auf der Tagesordnung“, sagte eine Sprecherin auf taz-Anfrage. Man wolle das Thema aber gleich auf der nächsten Vorstandssitzung am Montag behandeln. hey