piwik no script img

Kroaten zeigen Flagge

Die Führung der kroatischen Nationalpartei in Bosnien und Herzegowina heizt die Stimmung in der Bevölkerung an. Mit dem Aufbau einer gemeinsamen Polizei muss sie um ihre Pfründen fürchten

aus Mostar ERICH RATHFELDER

Die rund 250.000 Kroaten der Westherzegowina werden von vielen Bosniern anderer Volksgruppen als eigensinnig, als Unruhestifter und Radikale angesehen. Ihre politischen Führer hätten nach Ansicht der Vertreter internationaler Institutionen im Krieg die Teilung Bosniens angestrebt, sie seien ethnische Säuberer und hätten Mostar in Schutt und Asche gelegt. Auch jetzt noch, mehr als fünf Jahre nach dem Dayton-Abkommen, seien sie wenig kompromissbereit.

Als am letzten Samstag 600 Delegierte einer „Kroatischen Nationalversammlung“ einen „Kroatenstaat“ in Bosnien-Herzegowina forderten und ein Ultimatum bis zum 18. März setzten, hagelte es Kritik. Mit der Resolution wurden die Vertreter der internationalen Gemeinschaft, die auf eine Versöhnung der Volksgruppen in Bosnien und Herzegowina setzen, in Handlungszwang gebracht (siehe Kasten).

Mit Strafmaßnahmen will die internationale Gemeinschaft einen „Keil zwischen die Führung und die Basis“ treiben, sagt Faruk Kajtaz, bekannter Journalist und Musiker aus Mostar. Während es in allen anderen Teilen Ex-Jugoslawiens zu einem demokratischen Durchbruch gekommen sei, hätte in der Westherzegowina nach wie vor nur eine Partei das Sagen: die „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ HDZ.

Die Westherzegowina ist eine karge Landschaft. Bis heute ist die Bevölkerung stolz auf den Wein, der auf den steinigen, trockenen Feldern wächst. Die Gegend ist traditionell ein Armenhaus. Als Randgebiet des osmanischen Reiches war die katholische Bevölkerung über Jahrhunderte hinweg immer wieder Repressionen ausgesetzt.

Deshalb „wollten die Westherzegowiner von alters her dem Habsburgerreich und damit Kroatien angeschlossen werden“, sagt Bruder Branko, einer der Priester in dem 30 km von Mostar entfernten Wallfahrtsort Medjugorje. Die Westherzegowiner hätten daher während des Ustaschastaates im Zweiten Weltkrieg den Anschluß der Region an Kroatien begrüßt, seien dann im Kommunismus kollektiv dafür bestraft worden, meint Ante Marković, ein Lehrer. „Auch 1992 wollten wir weg aus Bosnien, deshalb halten wir zusammen wie Pech und Schwefel.“

Kroatische Fahnen sind über die Straßen der Städte und Dörfer gespannt und suggerieren die Einheit von „Führung und Volk“. Die vielen Luxuslimousinen und Autos der höheren Mittelklasse, die neu gebauten Häuser deuten an, dass die Westherzegowina nicht mehr die ärmste der Regionen Bosniens ist. Herzegowiner gelten heute als gute Geschäftsleute. Und der Schwarzhandel seit dem Krieg brachte hohe Profite für viele. Politik und Geschäftswelt sind eng verbunden.

Noch heute werden einige der Grenzübergänge, über die der Schwarzhandel läuft, nicht überwacht. Mit dem von der UNO betriebenen Aufbau einer multiethnischen Grenzpolizei des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina gerät der Warenfluss in Gefahr. Einige der Grenzübergänge sind schon in den Händen der multiethnischen Polizei. Die westherzegowinische Führerschaft muss daher um ihre Pfründen fürchten und heizt den Nationalismus in der Bevölkerung mit der Forderung nach einem eigenen Staat an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen