: Kommunistische Rückzugsgefechte
Chinas Parteiführung verzögert eine dringend nötige Börsenreform. Anleger drängen auf den Aktienmarkt
PEKING taz ■ Kommunisten sind keine Internet-Gläubigen. „Es gibt immer noch Zweifel, ob die Zeit reif ist“, bremst Chinas Börsenchef Zhou Xiaochuan Optimisten der neuen Wirtschaft aus, die die Eröffnung einer Hightechbörse noch in diesem Jahr prophezeit hatten. Und doch steht der Vorsitzende der chinesischen Börsenaufsichtskommission derzeit im Zentrum einer wirtschaftlichen Reformdebatte, die mit der Ankündigung eines Fünfjahresplans von 2001 bis 2006 in dieser Woche neu aufgelebt ist.
Der Fünfjahresplan hat seinen Namen nicht verdient. Außer einer vagen durchschnittlichen Wachstumsvorgabe von sieben Prozent und den Plänen für langfristige Infrastrukturprojekte wie den Bau von Eisenbahnlinien und Gas-Pipelines, gibt der Plan kaum konkrete Wirtschaftsziele vor. Stattdessen konzentriert sich die Wirtschaftspolitik derzeit auf die Regulierung einer boomenden Privatwirtschaft, die dringend neue Börsen- und Bankenbestimmungen benötigt, um ihren Finanzierungsnöten zu entkommen. Doch der kommunistische Apparat reagiert nur schwerfällig. Den in letzter Zeit zahlreich gegründeten privaten Internet-Unternehmen geht die Entwicklung jetzt schon viel zu langsam.
„Der Aufbau der Aktienmärkte ist für uns der entscheidenen Faktor“, warnt Charles Zhang, Chefmanager des bereits an der Nasdaq-Börse in New York notierten chinesischen Internet-Portals sohu.com. Zhang fordert die Behörden auf, mehr kurzfristige Spekulationsgewinne zu dulden, anstatt die Anleger wie bisher zu zwingen, vor dem Aktienwiederverkauf auf die erste Dividende zu warten. Doch gerade weil die Kommunisten das bisher nicht zulassen wollen, sträuben sie sich gegen die Eröffnung einer Hightechbörse, die vom schnellen Risikokapital lebt.
Man könnte das ein Rückzugsgefecht nennen. Denn wo immer die Behörden den streng kontrollierten Aktienmarkt ein Spalt weiter öffnen, drängt eine begeisterte Anlegerschaft darauf, ihr Geld in Wertpapiere zu verwandeln. Jüngstes Beispiel ist dafür ist die Zulassung heimischer Investoren am so genannten B-Aktienmarkt in Schanghai und Schenzhen. Bisher durften hier nur Ausländer Aktien kaufen. Innerhalb von fünf Tagen schnellte der Gesamwert der B-Börse in Schanghai von 3,8 Milliarden auf 6 Milliarden Dollar und in Schenzhen von 2,8 Milliarden auf 4,5 Milliarden Dollar.
Doch China steht in Sachen Börseneinführung nach wie vor am Anfang. Nur wenige handverlesene Unternehmen sind am Markt notiert. Umso wichtiger ist deshalb eine von Premierminister Zhu Rongji in dieser Woche vor dem Nationalen Volkskongress vorgetragene Reform, welche die Börseneinführung entsprechend klaren gesetzlichen Bestimmungen für jedes Unternehmen prinzipiell möglich macht. Dann wäre endlich Schluss mit einer Börse, auf der nur partei- und staatsnahe Unternehmen notiert sind. Charles Zhang hat die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgeben: „Echte Reformen sind auf dem Weg. Mit der Zeit werden die chinesischen Aktienmärkte transparenter und fairer werden“, prophezeit der Internet-Boss. GEORG BLUME
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