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Operation Sparschwein geht weiter

In einer aktuellen Stunde liefern sich Opposition und Regierung einen Streit zu den Finanzproblemen der Bundeswehr. Niemand bezweifelt, dass die Armee nicht voll bündnisfähig ist. Angeblich mangelt es ihr bloß an der inneren Struktur

von BETTINA GAUS

Es wird keinen Nachtragshaushalt geben. Die finanziellen Engpässe der Bundeswehr bewegen sich völlig im Bereich des Üblichen und Normalen. Das behaupteten alle Abgeordneten der rot-grünen Regierungsfraktionen, die gestern während der Aktuellen Stunde zum Thema im Bundestag das Wort ergriffen.

Das Treffen zwischen Finanzminister Hans Eichel, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping beweise doch, dass die Lage unter Kontrolle sei. Erst am Vortag hätten sie noch einmal die gemeinsame Linie gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht, erklärte Angelika Beer von Bündnis 90/Die Grünen.

Das kann man allerdings auch anders sehen. „Warum treffen die sich denn überhaupt zu einem Krisengespräch?“, wollte Jürgen Koppelin von der FDP wissen, dessen Fraktion die Aktuelle Stunde beantragt hatte. Wenn es kein Problem gebe, dann gäbe es doch eigentlich für die drei Spitzenpolitiker nichts zu besprechen, meinte auch der CDU-Haushaltspolitiker Dietrich Austermann. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive.

Insgesamt beherrschte gestern eher die Sichtweise der Haushälter als die der Sicherheitspolitiker die Debatte, obwohl alle Fraktionen auch ihre Wehrexperten ans Rednerpult geschickt hatten. Aber es ging weniger um grundsätzliche verteidigungspolitische Richtlinien als um die Frage, ob und wie sich die bereits beschlossene Bundeswehrreform finanzieren lässt. Selbst Uwe-Jens Rössel von der PDS, dessen Fraktion den Umbau der Streitkräfte in eine Interventionsarmee ablehnt, verwandte mehr Redezeit auf die Forderung nach gleicher Besoldung der Soldaten in Ost und West als auf seine Warnung davor, dass das Konzept der Bundesregierung „die Beteiligung an Kriegen ausdrücklich“ mit einplane.

Rudolf Scharping hielt sich gestern noch zum Antrittsbesuch bei seinem neuen US-Amtskollegen Donald Rumsfeld in Washington auf. Statt seiner trat der parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow ans Rednerpult, der der Opposition „Effekthascherei“ vorwarf und erklärte, die aktuelle Stunde sei „überflüssig wie ein Kropf“. Die Hinweise der militärischen Führung auf erhöhten Bedarf bei der Materialerhaltung seien ein „völlig normales Verfahren“. Schließlich ließen sich die Ausgaben einer „Armee im Einsatz“ nicht auf den Pfennig genau vorausberechnen.

Der SPD-Sicherheitspolitiker Peter Zumkley wies Berichte zurück, denen zufolge sich das Defizit auf 2 Milliarden Mark belaufe, die Stationierungsentscheidungen erneut auf den Prüfstand kämen und das deutsch-französische Hubschrauberprojekt Tiger wegen Geldmangels gefährdet sei. „All diese Behauptungen sind falsch. Sie entbehren jeder Grundlage.“ Der Haushalt 2001 werde vollzogen, die Reform der Bundeswehr könne „wie geplant“ beginnen. Zumkley bestritt nicht, dass die Bundeswehr nicht voll bündnis-und europafähig sei. Das liege an veralteten Strukturen, die man ja nun gerade reformiere.

Die Opposition mag das nicht glauben. Thomas Kossendey (CDU) warf Scharping vor, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, wenn er glaube, 1 Milliarde Mark durch Verkaufserlöse aus Liegenschaften erwirtschaften zu können. Bei den Ausgaben herrsche ein ebensolches Chaos wie bei den erwarteten Einnahmen. „Heute rächt sich sehr deutlich, dass alle Warnungen der Opposition überheblich in den Wind geschlagen worden sind.“ Dietrich Austermann rechnete vor, warum nach Ansicht der Union 2 Milliarden Mark im laufenden Etat fehlten. Seine Schlussfolgerung: Es wird einen Nachtragshaushalt geben.

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