: „Hausfrauen sind auch nicht schneller“
■ Sie haben, was SchülerInnen nie hatten: Spaß am Lernen. Wenn Senioren wieder auf der Schulbank sitzen, sind ganz andere Dinge wichtig als nur der Stoff: die Anderen.
Nur eine einzige Szene. Nur einmal habe sie es erlebt, dass Jüngere Älteren blöd gekommen seien, erinnert sich Mary Janz. Blöd gekichert hätten zwei jüngere Frauen, als eine Ältere mal nicht so fix bei der Sache war. Ansonsten: Tiefer Frieden zwischen den Generationen.
Mary Janz unterrichtet Englisch an der Volkshochschule Bremen (VHS). Sie gibt auch Kurse speziell für ältere Menschen. „Da gibt es nicht so viel Stress wie sonst“, erzählt sie, und außerdem „haben wir immer sehr viel zu lachen.“ Die Senioren-Gruppen seien „erstaunlich treu“, berichtet Janz, „es gibt Gruppen, die gibt es schon seit über zehn Jahren.“
Dass Ältere langsamer lernten, mag sie so nicht sagen. „Wenn man in dem Alter zum ersten Mal eine Sprache lernt, geht's halt nicht so schnell.“ Wozu auch: „Wir brauchen uns keinen Stress zu machen.“ Das ist auch der Grund für ein weiteres Phänomen, das Mary Janz in ihren Kursen beobachtet: „Das Interesse am Anderen steht stark im Mittelpunkt“. Jüngere Leute mit Berufs- und Familienpflichten im Nacken „müssen abends dann schnell wieder weg.“ Und weil die Kurse mit den Grauhaarigen so nett sind und überdies vormittags, kommen auch viele Noch-nicht-Senioren, Hausfrauen nämlich: „Die sind ja auch nicht schneller.“
Mit einem ganzen Schwung Oldies reist Mary Janz demnächst ins schottische Edinburgh. Hier gibt es die „University of the Third Age“, die Universität des dritten Alters: eine Organisation von Senioren, die sich ihre Bildung selbst organisieren. „Dort gibt es so etwas wie die VHS nicht“, erzählt Janz, die selbst aus Edinburgh kommt. Vor eineinhalb Jahren war sie mit 16 SeniorInnen schon einmal dort, besprachen mit den Leuten von „U3A“, wie sich die Universität des dritten Alters abkürzt, Dinge wie „gesellschaftspolitische Aspekte der Freiwilligenarbeit“, verglichen gemeinsam europäische Rentensysteme oder Familien- und Sozialstrukturen – auf englisch. „Sehr große Zufriedenheit“ auf allen Seiten bescheinigt ein Abschlussbericht der zweiwöchigen Reise.
Einer, der damals dabei war und diesmal wieder mitfährt, ist Hans Günter Koch. Für ihn ist das Englischlernen bei Mary Janz auch eine Art Gedächtnistraining. „Vokabeln von vor 50 Jahren weiß ich, aber die, die ich vorige Woche gelernt habe, nicht mehr.“ Warum Englisch im Oldie-Kurs? „Die Jüngeren sind uns überlegen, die haben von Kindesbeinen an gehabt, was wir uns jetzt mühsam aneignen müssen.“
Koch war auch im Internet-Kurs und hat dort die Überlegenheit Jüngerer erfahren – aber nur positiv: „Die waren uns gegenüber derartig aufgeschlossen.“ Er habe ohne Hemmungen gefragt, „das hab' ich mich bei meinem Sohn nie getraut.“ Koch hat sein Leben lang gelernt, jetzt ist er 62, und das Lernen geht weiter. Vielleicht liegt der Charme der Seniorenkurse auch darin, dass sich die Sache mit „jünger“ und „älter“ einfach verschiebt. „Ich denke, ich fühl' mich jung“, sagt dazu Hans Günter Koch. Dann will er noch etwas sagen, da piepst sein Telefon und hört nicht auf. „Irgendwas ist da gerade bei mir schiefgegangen“, übertönt er das Schrillen, „das ist die Technik, die ich nicht beherrsche“. Pause. „Noch nicht.“ sgi
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