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Das Verschwinden der „Derricks“

Es menschelt in der neuen deutschen Krimiwelt. An die Stelle mimikloser Ermittlungsmaschinen treten allein erziehende KommissarInnen. Drei neue Serien in einer Woche vermitteln aber weiterhin publikumstaugliche Bürowelten mit viel Auslauf

von CHRISTIAN BUSS

Kommissarin Caro Hertz (Saskia Vester) muss gegen ihren Willen an einem feministischen Feldversuch teilnehmen: Auf Anweisung von höchster Stelle wird der Ermittlerin der Münchener Mordkommission eine Neue (Naomi Krauss) zur Seite gestellt – so soll die Effektivität eines rein weiblichen Teams geprüft werden. Einen echten Mordfall will der Chef den beiden Probandinnen dann aber doch nicht zuweisen: Sie dürfen lediglich ein bisschen Spuren sichern in einem Bootshaus, in dem man eine blutige Axt gefunden hat, aber keine Leiche. Doch die Routineuntersuchung wächst sich für Caro Hertz zu einer riskanten Angelegenheit aus, denn ausgerechnet ihr Exliebhaber (Helmut Zierl) wird bald als Hauptverdächtiger in einem höchst unappetitlichen Verbrechen gehandelt.

Es kostet die Polizistin in „Doppelter Einsatz München“ reichlich Nerven, die amourösen Verstrickungen in ihren Fall zu verschleiern. Genauso viel Nerven kostet sie allerdings der Alltag in ihrer Dienststelle. Die Kollegen reißen chauvinistische Witzchen, ab und an kollabiert die Kaffeemaschine, und der blöde Chef füttert während seiner Standpauken die Fleisch fressende Zimmerpflanze mit Maden.

Darin liegt das Erfolgsgeheimnis deutscher Krimiserien: Die Arbeitswelt der Ermittler unterscheidet sich eigentlich kaum vom Alltag eines normalen Büroangestellten, nur bekommen die TV-Figuren gelegentlich Auslauf und dürfen dann Psychopathen, Bankräuber oder Mitgiftjäger dingfest machen. Das wirkt oft nur wie ein sportiver Ausgleich zum öden Schreibtischjob. Egal also, wie schillernd und unglaublich das aufzuklärende Verbrechen ist – stets wird ausreichend Identifikationspotenzial für das Publikum mitgeliefert. Weshalb der Bedarf an den Serien dieser Art wohl nie abreißt.

Alleine diese Woche starten drei Krimireihen: Neben RTL, wo der Einflussbereich des soliden Dauerbrenners „Doppelter Einsatz“ nach „Tatort“-Prinzip dezentralisiert und von Hamburg Richtung Berlin und München ausgeweitet wird, sind auch ARD und ZDF mit neuen Serien am Start. Dabei werden ganz unterschiedliche Klienteln bedient. Denn TV-Krimis, die immer der gleichen narrativen Logik folgen, in ihrem Personal indes unendlich variabel sind, lassen sich optimal nach den unterschiedlichsten Zielgruppen ausrichten.

Doch unabhängig davon, wie unterschiedlich die Ermittler angelegt sind, weisen neuerdings alle die eine oder andere menschliche Schwäche auf: Den tadellosen Beamten sucht man inzwischen in der Flut der aktuellen Produktionen vergebens. Nicht einmal mehr am Freitag im ZDF, einst Stammplaz für mechanisch agierende „Derricks“, findet man noch den über Konditionsschwankungen erhabenen Kombinationsapparat. Im Gegenteil, der von Oliver Stokowski als Gemütsmensch gegebene „Ermittler“, der an diesem Freitag (16. März, 20.15 Uhr) zum ersten Mal auf dem Traditionssendeplatz läuft, hat schon mal mit kleinen Formtiefs zu kämpfen – kein Wunder als treusorgender Vater eines altklugen Scheidungskinds. Doch egal, wie aufreibend Privatleben sein mag, am Ende überführt er wie alle anderen TV-Kollegen den Täter.

Wird in deutschen Krimis auch gemenschelt, was das Zeug hält, die Verlässlichkeit der Beamten leidet darunter keineswegs. Der Glaube an den Polizeiapparat wird – trotz gelegentlicher Gags – nie ernsthaft erschüttert. Schon gar nicht bei „Bronski & Bernstein“ (Mi., 18.54 Uhr), die als Coemdy-Serie konzipiert ist. In dem für eine Vorabendproduktion geradezu glamourösen Vorspann sieht man die beiden Hauptdarsteller Xaver Hutter und Matthias Schloo zu Raga-Beats in James-Bond-Manier posen – doch die Eleganz und Ironie des Geheimagenten färben leider gar nicht auf die beiden ab. Wie kleinen Strolche in Armani-Anzügen kaspern sie sich durch eine haarsträubende Handlung. Einer der beiden ist der missratene Sohn des Polizeipräsidenten und setzt sich in Bars ganz spontan hinters Piano, um „My Way“ zu kreischen, der andere versprüht den Charme einer Gouvernante. Während die beiden den neuen Wagen vom Chef kaputtfahren, werden sie dann natürlich doch noch zu einem 1a-Team. Dem avisierten Teenie-Publikum dürfte das allerdings ziemlich egal sein, denn zwei Arten von Menschen will es bestimmt nicht nach Schulschluss begegnen: dem Streber und dem Klassenkasper.

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