: Spielen statt Drill
Deutschlands einzige öffentliche Kasernen-Kita betreut Kinder aus 14 Nationen ■ Von Simone Hett
Wenn Major Thorsten Milewski morgens die Führungsakademie der Bundeswehr betritt, dann ist Sohn Lars (4) immer dabei. Hand in Hand geht es über den Hof der Hamburger Clausewitz-Kaserne - der eine in Uniform und militärischen Rangabzeichen, der andere in Gummistiefeln, Anorak und mit quietschbuntem Kinderrucksack. Bevor der Papa zu den Hörsälen eilt, wo die Offiziere für die höheren militärischen Weihen büffeln, bringt er den Sohn noch in den Kindergarten. Dieser ist gleich in der Kaserne mit untergebracht: Deutschlands einziger öffentlicher Kindergarten auf militärischem Gelände.
Träger ist nicht die Bundeswehr, sondern die lutherisch-evangelische Kirchengemeinde Blankenese. Deshalb schicken nicht nur Militärangehörige ihre Kleinen in den Kindergarten, auch Kinder von Familien aus der Umgebung kommen hierher. Gleich das erste Gebäude hinter der Pförtnerloge ist fest in Kinderhand. 96 Kinder toben hier durch die Gänge, oder singen mit ihren Erzieherinnen - meist auf Deutsch, doch dazwischen mischt sich schon mal italienisches oder koreanisches Kauderwelsch. Die Klientel in der Clausewitz-Kaserne ist international: „Wir betreuen derzeit Kinder aus 14 Nationen“, erzählt Kindergartenleiterin Heide Graue.
Die Clausewitz-Kaserne ist seit 1957 die höchste militärische Ausbildungsstelle der Bundeswehr, an der sich auch hochrangige Militärs anderer NATO-Staaten zum Stabsoffizier ausbilden lassen, erklärt Oberstleutnant und Pressestabsoffizier, Friedrich-Franz Sodenkamp. Aber auch aus befreundeten Ländern würden zunehmend Offiziere nach Hamburg kommen.
Der Beruf des Vaters bringt so Manuel aus Spanien, Hintaro aus Japan, Kimberley aus den USA, Julia aus der Schweiz oder Henry aus Frankreich zusammen. Da die wenigsten deutsch können, wird mit „Händen und Füßen“ kommuniziert. Beim Spielen sei die Sprache zweitrangig, sagt Heide Graue. „Nach sechs Wochen verstehen die meisten zumindest deutsch“. Der Mix der Kulturen habe auch den Vorteil, dass man spielerisch die jeweiligen Besonderheiten eines Landes kennen lerne: „Was hat es mit den Kürbissen zu Halloween auf sich?“ ist nur eine von vielen Fragen, denen man in der Clausewitz-Kaserne nachspürt.
Militärischer Drill hat im Kindergarten der Führungsakademie nichts zu suchen. Die Kinder bringen frischen Wind in den Kasernen-Alltag. Die Rasenfläche des Kasernenhofs ist zum Spielplatz umfunktioniert, Zebrastreifen auf den Zufahrtswegen sollen die Kinder sicher über das Gelände leiten. Und die großen Versammlungsräume, in denen sonst hochdekorierte Generäle Vorträge halten, werden auch für Kinderpartys genutzt. Nach Lernschluss müssen die Väter auch mal ran: zum Sandkasten-Ausheben beispielsweise. Die Offiziere nehmen es gelassen und freuen sich über diese Form der „Truppenunterhaltung“. „Die Kleinen versüßen uns das Leben hier ungemein“, sagt Major Thorsten Milewski.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen