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Schöne neue Visapolitik

Das Auswärtige Amt bilanziert seine neuen Richtlinien für die Visaerteilung. Lageberichte zur Menschenrechtssituation in 39 Ländern wurden überarbeitet

BERLIN taz ■ Das Auswärtige Amt setzt auf eine transparentere Politik bei der Erteilung von Visa. „Wir behandeln die Antragsteller nicht als lästige Kundschaft, sondern als Menschen mit einem berechtigten Anliegen“, warb der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, gestern in Berlin. Die seit geraumer Zeit in Kraft befindlichen Richtlinien für Besuchervisa und Familienzusammenführung rückten die Beratung der Betroffenen in den Mittelpunkt. Fehlende Unterlagen würden nicht mehr wie in der Vergangenheit automatisch zur Ablehnung führen. Bei der Frage, ob ein Visum für den Familiennachzug erteilt werde, sei der Schutz von Ehe und Familie jetzt „wichtiger als mancher technische Aspekt bei der Beibringung von Dokumenten“.

Erleichtert werden soll auch die Neuausstellung eines dreimonatigen Besuchervisums. Wer bereits einmal in Deutschland war, von dem könne man ausgehen, dass er wieder in seine Heimat zurückkehre, verwahrte sich Volmer gegen den Vorwurf, mit der liberalen Praxis würden Illegale angelockt. Wer unerkannt nach Deutschland komme, werde in der Regel kein Konsulat aufsuchen. Die Richtlinie sieht zudem vor, dass ablehnende Bescheide beim Familiennachzug jetzt schriftlich begründet werden. Das verschaffe zusätzliche Sicherheit für jene Antragsteller, die gegen eine Ablehnung Einspruch einlegen wollen. Durch die Einführung elekronischer Datenverarbeitung erhofft sich das Auswärtige Amt zusätzlichen Spielraum für die Beratungsgespräche. Wegen der umfangreichen Anträge dauert bislang ein erstes Gespräch mit dem Antragsteller nicht länger als zwei Minuten. Die Zahl der bearbeiteten Visa stieg im Zeitraum von 1999 bis 2000 um 13 Prozent, die der erteilten Visa um 15 Prozent an. Die Zahl der Ablehnungen lag im vergangenen Jahr bei 6,4 Prozent, Im Jahr davor noch bei 6,8 Prozent.

Überarbeitet hat das Auswärtige Amt mittlerweile auch seine Lageberichte zur Situation der Menschenrechte in 39 Ländern, aus denen Fluchtbewegungen in die Bundesrepublik zu verzeichnen sind. Die Lageberichte, die je nach politischer Stabilität des jeweiligen Landes in Zeitabständen aktualisiert werden, dienen Justiz und Innenbehörden als Grundlagen für Asylentscheidungen. Unter der rot-grünen Regierung wurden bei der Überarbeitung der Lageberichte erstmals auch Hinweise von Menschenrechtsorganisationen aufgenommen, so unter anderem von Amnesty International und Pro Asyl.

Dieser Dialog habe sich bewährt, meinte Volmer. Es gebe keine generelle Kritik der Nichtregierungsorganisationen an der Qualität der Lageberichte mehr. Konflikte wollte er aber nicht ausschließen. Die Praxis werde erweisen, „ob wir in einzelnen Fällen werden nachsteuern müssen“. SEVERIN WEILAND

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