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Embryo-Check: Schmidt lenkt ein

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt denkt beim Gen-Check von künstlich gezeugten Embryonen um: Eine Zulassung der umstrittenen Selektionsmethode wird es erst nach breiter öffentlicher Debatte und einer Entscheidung im Bundestag geben

von WOLFGANG LÖHR

Einen Gen-Check von künstlich gezeugten Embryonen wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Auf einer nicht öffentlichen Sitzung der Enquetekommission des Bundestages „Recht und Ethik der modernen Medizin“ räumte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Montag ein, dass der Bundestag das letzte Wort darüber haben wird, ob die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) zugelassen werden soll oder nicht.

Damit ist nach wochenlangem Streit in der rot-grünen Koalition klargestellt, dass nicht die Ärzteschaft allein darüber entscheiden darf, ob und unter welchen Bedingungen eine genetische Qualitätsprüfung von Reagenzglasembryonen durchgeführt werden soll. Jetzt soll erst einmal eine breite öffentliche Debatte über das Für und Wider der PID geführt werden. Eine Entscheidung des Bundetages noch in dieser Legislaturperiode ist nicht vorgesehen.

Einen Dämpfer erhält damit auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, der vor kurzem noch verlauten ließ, dass eine Neuregelung der PID nicht unbedingt vom Gesetzgeber kommen müsse. Man könne das auch dem Sachverstand der Ärzte überlassen, hatte Schröder gesagt. Der Präsident der Ärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, hatte dem Kanzler schon in Aussicht gestellt, den Gen-Check unter Umgehung einer Gesetzesänderung mit einer standesrechtlichen Richtlinie zu regeln.

Die Auseinandersetzung um die PID begann, unmittelbar nachdem Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ihr neues Amt übernommen hatte. Eine ihrer ersten Ankündigungen war die Absage an das Vorhaben ihrer Vorgängerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Grüne), noch in dieser Amtsperiode ein Fortpflanzungsmedizingesetz auf den Weg zu bringen. In diesem Gesetz wollte Fischer ein eindeutiges Verbot der umstrittenen PID festlegen. Sowohl die Gesundheitsministerin als auch Forschungsminsterin Edelgard Bulmahn schwenkten auf den neuen Kanzlerkurs in der Biomedezin ein. Sie lehnten die immer vehementer vorgetragenen Forderungen einiger Vertreter der Bundesärztekammer nach Zulassung der PID nicht mehr grundsätzlich ab.

Von beiden SPD-Ministerinnen wurde auch in Frage gestellt, dass die PID nach dem Embryonenschutzgesetz eindeutig verboten sei. Dort heißt es zwar, eine künstliche Befruchtung sei nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erlaubt. Bei der PID hingegen, so das Argument der Gegner eines Embryonen-Checks, werden aber die als erbkrank identifizierten Embryonen selektiert und verworfen. Das sei mit dem Embryonenschutzgesetz auf keinem Fall vereinbar. Schmidt bezweifelte das. Sie wies wiederholt daraufhin, dass in der Enquetekommission diese Frage noch gutachterlich überprüft werde. Das sei nicht der Fall, widersprach zum Beispiel Monika Knoche, die für die Grünen in der Enquetekomission sitzt. Dort sei die Frage schon seit längerem geklärt. Die Enquetekommission ist mehrheitlich der Auffassung, die PID könne nur angewandt werden, wenn der Parlament einer Gesetzesänderung zustimme.

Diesen Rechtsstandpunkt vertritt auch Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin: Die PID stelle einen „klaren Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz dar“. Um den Konflikt zu entschärfen sollen die drei SPD-Minsterinnen bis Ende April eine „möglichst einvernehmliche Meinung“ vorlegen. Zumindest Schmidt scheint sich jetzt also der Meinung von Däubler-Gmelin angenähert zu haben. Nicht ausgeräumt ist damit jedoch der grundsätzliche Konflikt. Denn erst am Ende der jetzt angesagten Debatte wird sich entscheiden, ob die Mehrheit des Bundestages für oder gegen die PID ist.

Eine entscheidende Rolle bei der Debatte soll ein vom Bundeskanzler angekündigtes Ethikgremium übernehmen, das demnächst, besetzt mit hochrangigen Vertretern aus Wissenschaft, den Kirchen und anderen Interessengruppen, einberufen werden soll. Was dann mit dem noch von Exminsterin Andrea Fischer eingesetzen Ethikbeirat des Gesundheitsministeriums geschehen soll, sei noch nicht entschieden, sagte eine Sprecherin des Ministeriums.

Dafür ist diese Woche eine andere, schon länger erwartete Enscheidung gefallen. Nachdem Ulla Schmidt bereits gleich nach Amtsantritt den Staatssekretär Erwin Jordan entließ und wenig später dann auch noch ihren Abteilungsleiter Hermann Schulte-Sasse, versetzte sie diese Woche auch noch die für Gentechnik zuständige Abteilungsleiterin Ulrike Riedel in den einstweiligen Ruhestand. Riedel galt als Vertraute von Schmidts Vorgängerin Andrea Fischer.

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