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Was tun mit dem „Einschnitt der Hoffnung“?

In Oranienburg, beim früheren KZ Sachsenhausen, suchen Experten nach Strategien für die Gestaltung der Orte nationalsozialistischer Verbrechen

Als ehemalige KZ-Häftlinge Mitte der Fünfzigerjahre das einstige Konzentrationslager Sachsenhausen besuchten, waren sie schockiert über den verwahrlosten Zustand des Geländes. Sie forderten eine würdige Gestaltung des Lagers als Gedenkstätte. Die noch erhaltenen Häftlingsbaracken wurden abgerissen. Das parkartig gestaltete Gelände diente der DDR-Regierung seither für Aufmärsche und Feiern.

Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten hat nach der Wende ein Konzept entwickelt, um diese künstlerische Überformung des Komplexes rückgängig zu machen – eine Nachnutzung und Neubebauung des denkmalgeschützten Ensembles, das über die reine Musealisierung hinausgeht. Grundlage für die Überlegungen ist das Konzept des amerikanischen Stararchitekten Daniel Libeskind. Sein Entwurf steht im Mittelpunkt des dreitägigen Symposiums „Orte des Verbrechens zwischen Geschichte und Stadtentwicklung“, das ab heute in Berlin und Oranienburg stattfindet. Auf der Tagung, veranstaltet von der Stadt Oranienburg, der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und der Akademie der Künste, geht es um die Entwicklung von Planungsstrategien.

Die beiden einzigen Originalbauten aus der Entstehungszeit des KZ, die Revierbaracken, in denen SS-Ärzte Versuche an Häftlingen durchführten, wurden im vergangenen Jahr saniert. Auch die Tötungsstätte „Station Z“ ist neu gestaltet, die Reste der Vernichtungsanlagen und Krematoriumsöfen wurden konserviert. Doch ein Großteil des etwa 40 Hektar großen ehemaligen SS-Truppenlagers lag seit dem Ende der DDR brach. Nur ein Teil des Geländes mit dem T-Gebäude, in dem die Inspektion der Konzentrationslager saß, ist denkmalgerecht restauriert. Es wurde nach der Wende vom Oranienburger Polizeipräsidium, dem Straßenverkehrsamt, dem Finanzamt und der Gedenkstätte genutzt.

Auch der brachliegende Geländeteil soll nach dem Willen der Stadtoberen wieder Verwendung finden. In einem von der Stadt initiierten Wettbewerb erhielt der Entwurf von Libeskind einen Sonderpreis. Sein Konzept: Ein 40 Meter breiter und 680 Meter langer, betont moderner Gebäuderiegel, der den äußeren Teil des SS-Truppenlagers durchschneidet – ein „Einschnitt der Hoffnung“. Der Architekt will auf diese Weise einen Dialog zwischen Gestern und Heute in Gang setzen. NICOLE MASCHLER

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