piwik no script img

Endzeitstimmung im Palast

Der Bundestag besichtigt den Palast der Republik und interessiert sich wenig für Kostensteigerungen und Terminverschiebungen. Gefühle für das DDR-Symbol kochen hoch, Schlossfans halten dagegen

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Er ist von trauriger Gestalt wie nie zuvor. Die Haut ist matt und sein Innenleben nur noch ein Rudiment. Aber große Emotionen weckt er noch immer. Hier habe sie getanzt, ihre Jugend verbracht und könne sich gar nicht vorstellen, dass das Haus abgerissen werden soll, sagt Petra Pau, Bundestagsabgeordnete der PDS. Und im Brustton der Überzeugung fährt sie fort: „Er ist ein Zeugnis der Geschichte.“ Punktum. Auch Christa Luft (PDS) schwelgt in Nostalgie, als sie nach Monaten der Asbestsanierung den Palast der Republik betritt und entwickelt Muttergefühle zum Gebäude: „Ich habe hier gegenüber gewohnt, seine Entstehung gesehen und es steht für mich außer Frage, dass der Palast bleibt.“

Bartholomäus Kalb, CSU-Obmann im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, sieht das anders. „Wer sich hier umschaut, merkt doch, dass hier was nicht stimmt.“ Ein Schloss, keinen einstigen DDR-Palast brauche die Stadt in ihrer neuen Mitte, brummt der CSU-Politiker an der Spitze des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, der gestern das in Teilen asbestgereinigte Haus begutachtete. Ein Schloss, fragen Uwe-Jens Rössel (PDS) und Antje Steen (SPD), brauchen wird das? Und Rössel gibt gleich die Antwort: Natürlich nicht. Was würde besser in die leeren Räume des Palastes passen als ein Berliner Centre Pompidou.

Das Reizthema war damit eröffnet: Erhalt, Abriss, Bibliothek, Museum, Schlossrekonstruktion, Neubau oder die Collage aus Alt und Neu. Der Haushaltsausschuss erging sich in Visionen und Gegenvisionen. Dass er gekommen war, die finanziellen Ausgaben für die Asbestsanierung in Augenschein zu nehmen, erschien fast als Nebensache.

Das wäre aber nötig, hat man doch keine halben Sachen im Palazzo Prozzo alias Erichs Lampenladen, dem DDR-Volkskammersaal oder in der Festhalle gemacht. Drei Jahre nach dem Beginn der Asbestsanierung ist im Innern nichts vom einstigen Bau geblieben. So wie im früheren Volkskammersaal und seinen Foyers wird es bald überall im Gebäude aussehen.

Bis auf die nackten Betonböden, Decken und Stahlträger ist aus dem Haus alles herausgerissen worden. Fahles Licht dringt durch die Fenster, Mauern und Zwischenwände fehlen und selbst an die Tribünen für die Presse erinnert nur noch ein abgetrepptes Stahlskelett. Der Raum gleicht einer Rohbauhalle, in der Theaterstücke vom Ende der Welt aufgeführt werden könnten: leer, öde, abgebrannt.

70 Millionen Mark, rechnete Bauleiter Hans-Peter Müllejans vor, habe die Sanierung bisher gekostet. Denn „recht sorglos“ hätten die DDR-Baubrigaden seinerzeit „Asbest im Gebäude verspritzt“, so dass die Fasern in allen möglichen Bauteilen, von der Decke bis zum Fundament, entsorgt werden mussten. Am schlimmsten wäre es im Keller: Dort sei vier Meter dicker Asbest aufgetaucht. „Deshalb muss jetzt noch viel mehr abgetragen werden als ursprünglich gedacht“, so Müllejans.

Dieses, die weitere Sanierung des Festsaals und der Halle kommen darum teurer als geplant. „Die Kosten für die Asbestbeseitigung am Palast der Republik in Berlins Mitte steigen über die vorgesehenen 100 Millionen Mark“, erklärte der Präsident der Oberfinanzdirektion, Ingo Trendelenburg, den Abgeordneten. Grund für die Kostensteigerungen seien die unerwarteten Asbestfunde. Zu Höhe der Steigerung wollte er keine Angaben machen. Aber eines sei sicher.Wie geplant 2001 wäre die Sanierung nicht beendet. „Das dauert noch bis 2002.“

Der Ausschuss wird es irgendwann erfahren, ging es doch gestern um Abriss, Neubau, Erhalt ...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen