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Hauptschüler „stolz wie Rotz“

■ Mercedes-Benz-Niederlassung ist Patin der Schule am Waller Ring

„Die Frau müssen wir kennen lernen“, sagte Erich Gebhardt, Leiter der Mercedes-Benz Niederlassung in Bremen. So fing es an. „Die Frau“, das war die Lehrerin Annelotte Joachim. Die hatte sich in einem bitterbösen Leserbrief im vergangenen Jahr darüber beschwert, dass Mercedes Benz Gymnasiasten zur Expo fährt, nicht aber die Hauptschüler, die das Sponsoring doch so viel nötiger hätten.

Gebhardt rief „die Frau“ an, man traf sich – einige Monate später ging der Ausbildungsleiter der Mercedes-Niederlassung, Thomas Kleinsorge, mit der Lehrerin durch die Jungen-Toilette des Schulzentrums und „war ziemlich entsetzt“, erinnert sich die Lehrerin. Es gibt keine automatische Spülung, stellte der Fachmann fest. Wohl aus Kostengründen.

Inzwischen ist aus dem Kontakt eine regelrechte „Schul-Patenschaft“ geworden. Zur Pressekonferenz am Freitag war auch der Bildungssenator gekommen und appellierte: „Ich bitte Sie, darüber zu schreiben, damit auch andere sowas tun.“ Das Schulzentrum Waller Ring bekommt von ihm nur 8.000 Instandhaltungs-Mark im Jahr, das ist nichts für ein Gebäude mit 800 SchülerInnen. Die Mercedes-Niederlassung spendet jede Menge Ausstattung für die Schul-Werkstatt, Farbe für die Klassenzimmer, fünf Computer, 400 Mark für das Schulfest – eben für alles, was so anfällt. Die 7. Klasse der Hauptschule, die von Frau Joachim, kann als erste ihren Klassenraum renovieren. „Die sind stolz wie Rotz“, erzählt der Schulleiter. Und haben das Kennzeichen „500 SL-Raum“ an ihrem Klassenzimmer angebracht. „Total cool“, entfährt es dem Bildungssenator.

„Die von Daimler“ gehen auch schon mal mit dem weißen Betriebskittel in eine Klasse und machen klar, dass sie immer wieder „erschreckende Defizite“ in Mathe feststellen. So kriege man bei Mercedes keinen Ausbildungsplatz. Und sich ordentlich benehmen müssten die Azubis auch lernen. Immerhin betreten Kunden doch schon mal in eine Werkstatt – und wollen dort in aller Form als neuzeitliche Könige behandelt werden. „Wenn ich das sage, hören die gar nicht zu“, sagt die Lehrerin. Sie freut sich deshalb auch über diese pädagogische Hilfe. K.W.

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