STREIT UM RADCKES BUCH ZEIGT: AUS DER GAL MUSS MAN AUSTRETEN
: Links ist nicht gleich links

Es scheint paradox: Antje Radcke kritisiert in ihrem Buch die Bundesspitzengrünen, lobt aber die HamburgerInnen – und gerade die schreien Zeter und Mordio. Tun sie das, weil sie Fischer und Trittin so lieb haben? Nein. Vielmehr schwelt bei der Grün-Alternativen Liste (GAL) ein Konflikt, der nur auf einen Auslöser gewartet hat – sei das nun ein Buch oder eine andere Form der Meinungsäußerung. Denn Radcke repräsentiert als Landessprecherin zwar linke Positionen, nicht aber den linken Flügel der GAL. Den gibt es nämlich nicht mehr.

Während des Kosovokriegs sind fast alle Linken aus der GAL ausgetreten. Sie haben die Wählervereinigung „Regenbogen – für eine neue Linke“ gegründet. Bei der GAL geblieben sind nur ein paar versprengte Linksgrüne, die sich dann und wann mit dem Mut der Verzweiflung kritisch zu Wort melden – und dafür regelmäßig von der realen Mehrheit abgestraft werden. Das ergeht auch weniger prominenten Linken so, wie dem Bürgerschaftsabgeordneten Mahmut Erdem: Er hatte im vorigen November die rigide Flüchtlingspolitik des rot-grünen Hamburger Senats kritisiert. Daraufhin wurde Erdem wochenlang von seiner eigenen Fraktion geschnitten.

Radckes Kür zur Landessprecherin – im vergangenen Dezember erst nach wochenlangen Querelen wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zustande gekommen – war reine Taktik, um das linke Wählerpotenzial nicht mit einem hundertprozentig realen Sprecherduo zu verschrecken. Schon damals drängte sich die Frage auf, warum eine Linke überhaupt an einer Partei festhält, in der für linke Positionen kein Platz mehr ist. Der aktuelle Konflikt um ihr Buch zeigt nun erneut, dass jede Hoffnung auf eine Reform der GAL von links vergebens ist. Deswegen muss die Frage nicht Rück-, sondern Austritt heißen. In Hamburg befinden sich linke Restgrüne immerhin in der komfortablen Situation, mit dem Regenbogen eine konkrete Alternative zu haben, die vertritt, was bei den Grünen einmal links war. HEIKE DIERBACH