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Verbrechen kann man lernen

Das Theater am Halleschen Ufer zeigt die Geschichte der Berliner „Gladow-Bande“

Werner Gladow war der erste Popstar der DDR. Jeder kannte den jugendlichen Verbrecherkönig, der in den Nachkriegsjahren die Stadt Berlin mit einer spektakulären Verbrechensserie überzog. Sein Ruhm war von kurzer Dauer, sein Leben endete 1950 unter dem Fallbeil. Sein Tod sollte zur Abschreckung dienen und außerdem den verderblichen Einfluss amerikanischer Kriminalliteratur unter Beweis stellen: Schließlich war Werner Gladow bekennender Anhänger Al Capones. Auch Westberliner Politiker nutzten den Gangster für Propagandazwecke. Als die Gladow-Bande in einer waghalsigen Aktion Volkspolizisten an einer der Sektorengrenzen entwaffnete, schlachtete man den Coup medienwirksam aus, um die Sicherheitskräfte der sowjetischen Besatzungszone bloßzustellen.

Außer ein paar Stadthistorikern und Kriminologen erinnert sich heute kaum noch jemand an den berühmtesten Gangster der Blockadezeit. Nun hat sich jedoch die Theatergruppe „aufBruch – Kunst Gefängnis Stadt“ unter der Regie von Roland Brus des Stoffs um Gladow und seine Verbrecherbande angenommen und für das Theater am Halleschen Ufer inszeniert. Vor einem Jahr inszenierte die Gruppe in der Justizvollzugsanstalt Tegel das „Endspiel“ von Beckett zusammen mit Gefangenen, was allgemein für Aufsehen sorgte, und für das Stück „Die Gladow-Bande oder Vom Wert ehrlicher Arbeit“ wurde nun neben professionellen Schauspielern ein Tegeler Freigänger engagiert. Auch sonst setzt man auf Authentizität. Dicht am historischen Material zieht sich das Stück auf der Bühne dahin, eingestreute Filmsequenzen aus amerikanischen Gangsterfilmen und O-Tönen aus der Besatzungszeit führen das Publikum in die Atmosphäre der Nachkriegsjahre ein.

Das funktioniert ein bisschen nach dem Wink-mit-dem-Zaunpfahl-Prinzip, genauso wie der Lexikonartikel über Wölfe, den ein Schauspieler vorliest. „In Lappland ist das Wort Frieden gleichbedeutend mit der Ruhe vor den Wölfen“, heißt es dort, und es ist klar, dass Gladow der Wolf ist, der den sozialistischen Lämmern keinen Frieden lässt. Noch dazu gibt es einige Versuche, den Stoff an die heutige Zeit anzupassen: Die Figur Gladow ist ansatzweise zu einen modernen Jungunternehmer ausgebaut, und einmal richtet ein Schauspieler die Frage ans Publikum, ob man auch arbeitslos sei. Die freie Wirtschaft ist nur ein Verbrechen: Auch diesen Wink hat man schnell verstanden.

Die Figur von Werner Gladow hingegen stellt der Schauspieler Lajos Talamonti eindringlich in Szene. „Wir stehen erst am Anfang. Wir arbeiten hart und selbstständig“, lautete das Credo Gladows, mit dem er die Stadt „in die Knie zwingen“ wollte. Das Verbrechen war für ihn ein Handwerk, das man lernen kann. Der einzige Unterschied ist, dass sich mit dem Verbrechen in kürzester Zeit mehrere tausend Mark verdienen lassen.

Dass Gladow verlieren wird, sieht man dem Spiel von Talamonti von Anbeginn an. In einer schönen Szene zieht er sich ein Sakko in Zeitlupenbewegungen über, bewegt zunächst vornehm den Hals, um den Stoff gerade zu rücken, doch dann bleibt ein Arm hängen, die Bewegungen werden linkisch und ungeschickt, das Sakko passt nicht. Zu sehr ist Gladow der Parvenü, der sich von seiner Umgebung unterscheiden will. Seinem Aufstiegswillen haftet etwas Zwanghaftes an – genau wie seinen Überfällen, die zusehens immer mehr den Charakter von Desperado-Aktionen annahmen.

MATTHIAS ECHTERHAGEN

Die nächsten Vorstellungen heute, 22., 23., 24. und 25. März, jeweils 20 Uhr, Theater am Halleschen Ufer, Hallesches Ufer 32, Kreuzberg

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