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DIE GEW HAT ES LANGE GEFORDERT – UND MOBILISIERT JETZT DAGEGENQuereinsteiger braucht die Schule

So sind sie, die Erziehungsgewerkschafter: besserwisserisch und voller komplizierter Bedenken. Seit Jahren leiern die GEW und ihr Hauptvorstand in Frankfurt die Gebetsmühle, dass die Bundesländer mehr Lehrer einstellen sollten. Fast jeder hat ihnen dabei Recht gegeben, Lehrer, Eltern und Schüler. Machmal stimmten sogar die Kultusminister in den Chor ein und betonten, dass Bildung ein wichtiges Zukunftsgut sei und also mehr Lehrer, sprich: kleinere Klassen gut wären für das Land.

Da war es jedoch meistens Sonntag, und am Montag rückten dann die Finanzminister die warmen Worte gerade. Die GEW hatte also Recht – aber es wurden trotzdem nicht mehr Lehrer eingestellt. Das war schlimm, und alle liebten die GEW für ihre Forderung. Seit gut einem Jahr ist es nun allerdings so, dass die Kultusminister mehr Lehrer einstellen. Und was macht die GEW? Sie verkündet halb stolz, halb empört, dass sie es ja schon immer gewusst habe. Das ist, sorry, GEW, besserwisserisch.

Schlimmer noch sind freilich die Bedenken, die aus Frankfurt gegen eine andere gute Idee der Kultusminister vorgebracht werden. Die Personalchefs der Schulen wollen nämlich auch Quereinsteiger als Lehrer anheuern. Endlich, atmen viele im Lande auf, endlich wird der hermetisch abgeschlossene Job des Pädagogen aufgebrochen. Wenn schon die Kultusminister als Lordsiegelbewahrer von Staatsexamina, nicht enden wollenden Studienzeiten und komplizierten Lehramtsstudiengänge Abschied vom lebenslangen Pauker nehmen, dann kann vieles besser werden. Erfahrungen aus anderen Ländern bestätigen das: Lebenserfahrene Quereinsteiger bringen oft mehr Schwung und pädagogischen Eifer mit als langwierig verbildete Lehramtskandidaten, die auf den sicheren Beamtenstatus schielen. Nun aber schwingt sich die GEW zum Bedenkenträger auf. Es habe keinen Sinn, „Leichtgewichte und Schnellbesohlte“ in die Schulklassen zu schicken. Das schade nur der Qualität von Erziehung und Unterricht.

Es ist umso unverständlicher, dass die GEW zu diesem Argument greift, wenn man sich ihre ältere und jüngere Geschichte anschaut. Früher waren es die Erziehungsgewerkschafter, die gegen den Beamtenstatus von Lehrern angingen. Und noch vor kurzem hat die GEW die Öffnung der Schule beschworen. Dazu gehört, angeödete und überalterte Lehrerkollegien durch Quereinsteiger in Bewegung zu bringen. Beispiele hierzulande zeigen, wie viel mehr Motivation die Kollegien ergreift, wenn die so genannten Dritten kommen. Dagegen mobilisiert die GEW nun – das ist, noch mal sorry, der Rückfall in Klientelpolitik. CHRISTIAN FÜLLER

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