■ Urdrüs wahre Kolumne: Rheumatisches Bier
Mit einem geheimnisvollen Mantra wurde ich jetzt an einer Plakatwand konfrontiert, hingekritzelt zwar, aber doch flächendeckend und mit einer gewissen Ästhetik der Schrift: „Marmelade statt Drogen“ war da zu lesen, und inzwischen haben diese Worte von mir Besitz ergriffen wie der Biedermanns-Faschismus vom dummen Laurenz. Ich ertappe mich dabei, wie ich den Schnack auf Notizzettel übertrage und nur mit Mühe hält mich anerzogene Scheu ab, diese Botschaft dann auch noch an den nächstbesten Passanten weiterzugeben. Ob ich mit diesem dumpfen Drang jetzt besser klarkomme, nachdem ich ihn an dieser Stelle öffentlich gemacht habe? „Marmelade statt Drogen“ , ein zeitlos schönes Postulat. Ansonsten gilt natürlich weiterhin „Krieg dem Krieg, Castor stoppen, Friede den Hütten, taz abonnieren und selbstverständlich:Freibier statt Rheumatismus!“
Wie Deutschlands größter Tageszeitung zu entnehmen war, haben neben Kommunen und Firmen im Emsland sogar Schüler höherer Lehranstalten ihr Scherflein zur Finanzierung der neuen Autobahn-Teilstrecke beigetragen. Solch grob fahrlässiger, vielleicht sogar schon vorsätzlicher Umgang mit dem Taschengeld sollte den Bewohnern dieses Landstrichs vorgehalten werden, wenn sie in der Montagausgabe der Papenburger Zeitung oder des Generalanzeigers Rhauderfehn in den schwarz umrandeten Familienanzeigen wieder die Ernte des Disco-Hopping vom Wochenende mit der scheinheiligen Frage WARUM? beklagen und in fatalistischem Hochmut behaupten, dass die Besten jung sterben. WARUM? Weil ihr so sexy seid, vermutlich ...
Warum nur, warum aber kämpft der Gentleman-Darsteller Josef Hattig so verzweifelt um die Großmarktansiedlung im Bremer Westen? Meine feste Überzeugung: Irgendwie ist der Herr Senator mit dem Becksbier-Clan im verborgenen Clinch. Will die Brauerei um jeden Preis kaputtmachen und setzt den Hebel dafür in Utbremen und Walle an, wo seit den heimtückischen Anschlägen des Ex-Braumeisters auf das soziale Gesamt-Biotop die Kampagne „Haake-Beck – hineingespuckt!“ von Tag zu Tag mehr Anhänger findet und die Bestellung eines Becks fast schon als Verrat an Feldmark und Heimatviertel gilt. Das Haus Beck & Co sollte schnellstens die Notbremse ziehen und den früheren Angestellten mit anrüchigem Material aus der Personalakte kompromittieren. Irgendwas findet sich doch mit einiger Bosheit immer!
Der Senat will den Marktplatz zum Weltkulturerbe erklären lassen. Prinzipiell einverstanden, aber warum gerade jetzt? Sind die Vorbereitungen für den Dritten Weltkrieg doch schon weiter gediehen, als wir einfachen Rathaus-Arkadenhocker aus dem schlichten Volke uns das vorstellen können?
Ein Bahnhof ohne Bahnhofsmission. Das ist doch wie Bockwurst ohne Senf, Bremen ohne Werder und Bürgerweide ohne Freimarkt. Und könnte man den Denkprozess der Bahnmanager vielleicht befördern, wenn stillende Mütter mit Baby auf Reisen grundsätzlich ein Plätzchen in der Business Lounge verlangen und Reisende ohne bare Mittel mit dem Personal des Reisezentrums im Bremer Reisezentrum hartnäckig um Freifahrscheine, Butterbrote und Hagebuttentee feilschen, während die Warteschlange länger und länger wird?
Derzeit drängt so vieles auf Entscheidung: Wird Jürgen Trittin an diesem Wochenende freigesetzt zum Wiederaufbau des KB Nord? Konnte Boxweltmeisterin Regina Helmich gestern den tausendprozentig unkomischen Flachwichser Stefan Raab im Gender-Fight auf die Bretter schicken? Soll man im Kampf gegen den Castor den schienengebundenen Personenverkehr auch außerhalb der Transportstrecken lahmlegen oder nicht lieber Autobahnen mit der Spitzhacke zerstören oder eine Stadtmeisterschaft im Neuwagenlack-Zerschrammen organisieren? Über Antworten auf die brennenden Fragen dieser Zeit freut sich immer wieder
Ulrich „Ratlos“ Reineking
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