: Die späte Wende
Die erste Pressekonferenz am neuen Deutschen Theater
Von einer späten Wende, einer späten Wiedervereinigung des Deutschen Theaters sprach der designierte Intendant Bernd Wilms und kündigte auf seiner ersten Pressekonferenz den völligen Neubeginn an. Und während dann die Namen all der neuen Talente und alten Matadore vom Podium prasselten, Arbeiten von Lars Norén, Hans Neuenfels, Peter Zadek, Bob Wilson, das Engagement der Regisseure Konstanze Lauterbach, Michael Thalheimer oder Jan Jochymski verkündet wurde, gab einem dieser merkwürdige Satz doch zu denken und legte einen mächtigen Schatten auf die Hoffnungen, die Wilms und sein Team bei den Berliner Journalisten wecken wollten.
Da saß also der neue Intendant und tat so, als wäre sein Vorgänger Erich Honnecker und nicht Thomas Langhoff gewesen, der das Theater Anfang der 90er-Jahre zu einem der ersten Orte gemacht hatte, wo sich die Wende auch künstlerisch niederschlug – von Heiner Müllers „Lohndrücker“ bis Frank Castorfs Version des John Gabriel Borkmann, in dem man auch die tragische Komödie von Erich Honnecker wiedererkennen konnte. Hier haben Thomas Ostermeier und Jens Hillje angefangen, zwei junge Westler, die an der Ostberliner Ernst-Busch-Schule studierten. Langhoff hat auch das Theater zusammmengehalten, ein Ensemble gepflegt, das in vierzig Jahren gewachsen war und lange zum Besten gehörte, was es an deutschen Bühnen zu sehen gab. Weil das Deutsche Theater durch vier Jahrzehnte DDR eine dezente bürgerliche Distanz zum Arbeiter-und-Bauernstaat bewahrt hatte, strahlte diese DDR-Großbürgerlichkeit zuletzt merkwürdig stur und fremd ins neue Berlin. Das utopische Potenzial des Hauses war längst verbraucht, das Theater ausgeblutet. Die Ära Langhoff ist mit Recht zuende.
Aber als man nun das neue Leitungsteam unter der prächtigen Stuckdecke des oberen Foyers über Pläne sprechen hörte, da wirkte es plötzlich furchtbar grau und das Theater ohne Aura, ohne Utopie. Ein Theater der Menschen und nicht der Konzepte, verkündete Bernd Wilms. Er sprach von einem Haus des großen Repertoires, das sich auch nicht vor den großen Texten drücken wolle, als hätte das hier je einer getan. Und so liegt die Hoffnung mal wieder bei den Jungen, dass sie der Schere widerstehen, mit der Wilms das Theater von seiner Geschichte trennen will. Und dass, wenn schon Bob Wilson hier wiederbelebt wird, seinen Dr. Caligari wenigstens Christian Grashof spielen wird. ESTHER SLEVOGT
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