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Trittin und Töpfer wollen Weltumweltorganisation

Internationales Ministertreffen in Berlin: Wir brauchen ein Gegengewicht zur WTO, das Umweltstandards notfalls mit Sanktionen durchsetzen kann

BERLIN taz ■ Die Welthandelsorganisation (WTO) sollte bald eine Schwester bekommen, die für den Umweltschutz zuständig ist. Diesen Wunsch äußerten Umweltminister Jürgen Trittin und Klaus Töpfer, Chef des UN-Umweltprogramms (Unep), bei einem Treffen gestern in Berlin. Zuvor hatten dreißig Umwelt- und Handelsminister aus aller Welt zwei Tage lang über die Auswirkungen von Freihandel auf die Umwelt diskutiert: „Handel muss nicht unbedingt umweltschädlich sein“, fasste der niederländische Umweltminister Jan Pronk zusammen. Es gebe auch „den guten Freihandel“, der auf nachhaltiger Produktion basiere.

Bis Anfang 2002 wolle die Unep eine Studie zum Thema „Weltumweltorganisation“ fertig stellen, kündigte Töpfer an. Und Trittin sagte, auch die EU wolle sich dafür einsetzen, dass „auf der anderen Seite der WTO“ ein Gegengewicht aufgebaut wird. Gelegenheit, diesen Vorsatz auf die Tagesordnung zu bringen, gäbe es im November, wenn in Katar die Nachfolgekonferenz der im Herbst 1999 in Seattle gescheiterten WTO-Runde stattfindet. Oder 2002, dann ist der „Rio plus zehn“-Umweltgipfel in Johannesburg geplant. Bisher ist für internationale Umweltabkommen die Unep zuständig. Das hält Töpfer für problematisch: „Unsere Sanktionsmöglichkeiten sind, gelinde ausgedrückt, sehr gering.“ Man sei auf freiwillige Beiträge angewiesen. Eine Weltumweltorganisation hingegen sollte, wie die WTO, sanktionieren und mit einem festen Budget rechnen können. Zwar hat die WTO bereits umweltpolitische Ziele in ihre Präambel aufgenommen und einen „Ausschuss für Handel und Umwelt“ eingerichtet. Doch der hat bis jetzt wenig mehr getan, als den Streit der Interessen-Blöcke innerhalb der WTO zu verfolgen.

Das liegt auch daran, dass viele Mitglieder der Ansicht sind, Umweltfragen hätten nichts unter dem Dach einer Welthandelsorganisation zu suchen. Denn Umweltstandards, so fürchten Schwellenländer wie Indien, Malaysia und Brasilien, dienten den Industriestaaten nur als Vorwand für neuen Protektionismus. „Viele arme Länder sind nicht in der Lage, solche Standards zu erfüllen. Weder technisch noch finanziell“, bekräftigte der malaysische Umweltminister Law Ding gestern.

Vor allem Gewerkschaften und Umweltverbände warnen hingegen vor einem „Umwelt- und Sozialdumping“ in den Industriestaaten, wenn in anderen Teilen der Welt ohne Auflagen produziert werden darf. „Wir haben in Uganda eine Studie über die Liberalisierung des Fischfangs am Viktoriasee gemacht“, berichtete Töpfer. „Ergebnis: Der Fischexport stieg kurzfristig an. Aber gleichzeitig nahmen die Überfischung und die Wasserverschmutzung zu, weil es keine Vorschriften für die Industrie gab, ihre Abwässer zu klären.“

KATHARINA KOUFEN

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