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„Die Seuche ist nicht fern zu halten“

Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen rechnen mit einem Übergreifen der Maul- und Klauenseuche auf Deutschland. Landesminister kritisieren mangelnde Unterstützung des Bundes bei der Vorbeugung. Heute tagen Agrarminister in Cottbus

von RALF GEISSLER und ANNA HOLZSCHEITER

Für den niedersächsischen Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) ist es keine Frage, ob die Maul- und Klauenseuche auf die Bundesrepublik übergreift. „Ich glaube, wir können sie nicht mehr fern halten“, sagte Bartels gestern dem Radiosender NDR-4-Info.

Trotzdem bemüht sich Niedersachsen, das anscheinend Unvermeidbare noch zu verhindern. Der Landkreis Emsland hat einen Großteil seiner Verbindungsstraßenin die Niederlande, wo gestern bereits sieben Höfe von der Seuche betroffen waren, für jeglichen Verkehr gesperrt. An den Übergängen werden den Reisenden die Lebensmittel abgenommen. Wer über die großen Straßen nach Deutschland einreist, muss über Seuchenmatten, um den Virus nicht einzuschleppen.

Unterdessen kritisierte das Ministerium Ländlicher Raum in Baden-Württemberg das unzureichende Engagement des Bundes bei der Seuchenvorbeugung. „Man hat uns ganz schön im Regen stehen lassen bei Maßnahmen, die die Verbraucherministerin hätte veranlassen können“, so Landesministerin Gerdi Staiblin (CDU). Bei den Kontrollen seien die Länder weitestgehend auf die Landespolizei angewiesen. Offiziell gebe es keine Erlaubnis, Reisenden ihre Lebensmittel an der Grenze abzunehmen, sagte ihr Sprecher Michael Reiss gestern der taz.

Die nordrhein-westfälische Agrarministerin Bärbel Höhn (Grüne) berief gestern einen Krisenstab, um über Schutzmaßnahmen zu beraten. Nach Angaben von Höhn sind seit dem 1. Februar mehr als 200.000 Tiere aus den Niederlanden nach Nordrhein-Westfalen transportiert worden. Die Höfe seien weitestgehend identifiziert und unter Kontrolle. Bislang sei dort keine Krankheit festgestellt worden. Höhn geht dennoch davon aus, dass die Seuche Nordrhein-Westfalen erreichen wird.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, forderte Bundesministerin Renate Künast (Grüne) gestern in einem Brief auf, neben den grenzüberschreitenden Tiertransporten auch jeglichen Tiertransport innerhalb Deutschlands bis Sonntag zu unterbinden. In dieser Zeit müsse die Herkunft sämtlicher Tiere geklärt werden, die in den vergangenen Tagen grenzüberschreitend gehandelt wurden. Gestern Abend trafen die Agrarminister von Bund und Ländern zu einer Konferenz in Cottbus zusammen. Dort soll über Schutzmaßnahmen gegen die Seuche und die Aufteilung der BSE-Folgekosten beraten werden. Der Deutsche Bauernverband hat wegen der Seuchengefahr eine Demonstration dazu abgesagt.

In der Heimat bleiben werden in den kommenden Tagen auch einige Schulklassen aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Die Kultusministerien beider Bundesländer haben einen Stopp für Klassenfahrten nach Frankreich und Großbritannien beschlossen. Die Bestimmung soll auf die Niederlande ausgedehnt werden.

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