piwik no script img

Benachteiligung beklagt

Sinti und Roma ziehen gegen das Gesetz zur Zwangsarbeiter-Entschädigung vor Gericht

HAMBURG taz ■ Hat die rot-grüne Bundesregierung bei der Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern den Bock zum Gärtner gemacht, indem sie die „International Organisation for Migration“ (IOM) in Genf mit der Bearbeitung von Anträgen für nicht territorial gebundene Roma und Sinti beauftragte? Diesen Vorwurf erhob jedenfalls gestern die „Rom und Sinti Union“ (RCU).

„Hier werden Mittel für die Holocaust-Entschädigung für die deutsche Abschiebepolitik benutzt“, kritisierte RCU-Vorsitzende Rudkow Kawczynski in Hamburg. Im Auftrag der RCU und eines Oldenburger Auschwitz-Opfers hat der Rostocker Anwalt Christian Schneider beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht. Schneiders Begründung: „Die Gleichbehandlung ist für Roma und Sinti nicht gewährleistet.“

8,1 Milliarden Mark sieht das Stiftungsgesetz für direkte Personenentschädigungen ehemaliger NS-Zwangsarbeiter vor. Davon soll das Gros an Wiedergutmachungsorganisationen in den osteuropäischen Staaten gehen, 1,8 Milliarden an die jüdische „Jewish Claims Conference“ sowie 800 Millionen Mark an die IOM. Die IOM hat über die Anträge nicht staatengebundener KZ-Häftlinge zu entscheiden.

Da mit 200.000 Anträgen die bei der Gesetzesverabschiedung zu Grunde gelegte Zahl von 75.000 Wiedergutmachungfällen bei weitem überschritten ist, sei schon heute zu erkennen, dass die bereit gestellten Mittel nicht ausreichten und Roma und Sinti gegenüber anderen NS-Opfern nicht gleicht behandelt werden, beklagt die RCU. Mit der IOM hat sie bereits in einem anderen Bereich ungute Erfahrungen gesammelt. So gewähre die IOM im staatlichen Auftrag nach umfangreichen Datenerhebungen für ausreisepflichtige AsylbewerberInnen Reisekostenbeihilfen, wenn diese auf ihren Asylantrag verzichten.

Kawczynski vermutet hinter dem Vorgehen weniger Instinktlosigkeit, sondern System, Roma und Sinti von der Wiedergutmachung auszugrenzen: „Die Leute werden bei einer Organisation keinen Antrag stellen, die keinerlei Sensibilität bei Daten an den Tag legt, weil sie verängstigt sind.“ KAI VON APPEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen