: Misshandelte Frau allein zu Haus
Neues Gesetz lässt Frauenhäuser um ihre Finanzierung fürchten ■ Von Sandra Wilsdorf
Was geschlagenen Frauen helfen soll, kann am Ende ein Schlag ins weibliche Gesicht werden. Das jedenfalls befürchtet die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenhäuser in Schleswig-Holstein. Denn in Deutschland wird das „Wegweisungsrecht“ eingeführt. Nach österreichischem Vorbild müssen Männer, die ihre Frauen misshandeln, dann damit rechnen rauszufliegen. Die Frauen dürfen sie dann nämlich per Gerichtsbeschluss des gemeinsamen Zuhauses verweisen.
Die Bundesregierung will das „Gewaltschutzgesetz“ möglichst bis zum Herbst in Kraft setzen. Die Länder denken zur Zeit über die Umsetzung nach. Und deshalb schlagen die Frauenhäuser in Schleswig-Holstein Alarm: „Im Zuge der Einführung ist in Schleswig-Holstein eine Reduzierung der Frauenhausplätze geplant.“ Das Ministerium gehe wohl davon aus, dass weniger Frauen in die Frauenhäuser gingen, wenn sie zu Hause bleiben können, vermutet Sabine Böttcher vom Frauenhaus Schwarzenbek. „Eine Umfrage unter unseren Frauen hat aber ergeben, dass zwei Drittel auch dann gekommen wären, wenn es das Gesetz schon gegeben hätte.“
Denn Bedrohung und Erinnerung bleiben Teil des Zuhauses. „Wir glauben, dass das Frauen anspricht, die nicht ins Frauenhaus gehen würden. Beispielsweise Mittelstandsfrauen, die das Haus meist verlieren, wenn sie es verlassen“, erklärt Sabine Böttcher. Die Arbeitsgemeinschaft hält das Gesetz für „einen längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung“, warnt aber davor, es auf Kosten der Frauenhäuser umzusetzen.
Im Kieler Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie hält man die Sorgen für überflüssig. „Die Finanzierung der Frauenhäuser hat mit dem Gesetz überhaupt nichts zu tun“, sagt Sprecher Chris-tian Frank. „Natürlich hoffen wir, dass weniger Frauen in Frauenhäuser gehen, wenn das Wegweisungsrecht greift.“ Mittelfristig könnten die Frauenhausmitarbeiterinnen verstärkt Beratung und Prävention machen. Aber das sei höchstens eine mittelfristige Idee, „erst nach ein- bis eineinhalb Jahren könnte man prüfen, ob das Gesetz sich auf die Belegung in den Frauenhäusern auswirkt.“ Sabine Böttcher ist anders informiert: „Schon zum 1.1.2002 sollen neue Richtlinien für unsere Arbeit gelten.“ Das könnte auch ambulante Beratung bedeuten, die vorhandene Mitarbeiterinnen leisten sollen.
In Hamburg ist die Sache noch Zukunftsmusik. „Wir finden, dass das Gesetz nicht weit genug geht, weil die Frau zum Gericht gehen muss und das Ganze ein langer und komplizierter Weg bleibt“, sagt Simone Käfer, Sprecherin der Justizbehörde. Hamburg wolle, dass die Frau nur die Polizei rufen muss, die den Mann des Hauses verweisen kann. Dafür aber muss das Polizeigesetz geändert werden. „Da gibt es eine Arbeitsgruppe mit Vertretern von Innen-, Justizbehörde sowie dem Senatsamt für die Gleichstellung und den Familiengerichten“. Die hat bisher einmal getagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen