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Lästige Spitzkehren

Bei den Deutschen Meisterschaften im Halbmarathon laufen die Frauen trotz abrupter Richtungswechsel schnell

ARNSTADT taz ■ Carsten Eich floh nach 21,1 Kilometern vor Kälte und Regen ins Arnstädter Theater, das provisorisch als Pressezentrum hergerichtet war. Draußen hing ein Plakat, das für eine „feurige Show“ mit „braunen Perlen“ warb. Drinnen beklagte sich Eich über die Wende. Zu spitz sei sie gewesen. Die Kehren des Rundkurses in der thüringischen Kleinstadt rissen ihn wiederholt aus dem Temporhythmus, ärgerte sich der Leipziger, der für den LAC Fürth startet. Er konnte dennoch seinen Titel aus dem Vorjahr verteidigen, wenngleich er eine schlechtere Zeit lief: 1:03:50 Stunde. „Mehr hat die Strecke nicht hergegeben“, sagte der 31-Jährige. Auf den zweiten Platz lief der Cottbuser Stephan Freigang.

Vor acht Jahren erregte Eich mit einer Zeit von 1:00:34 Aufsehen, gelaufen in Berlin. Solch eine „topfebene“ Strecke hätte er sich diesmal auch gewünscht. „Die Deutschen Straßenmeisterschaften steigen im Ansehen, da hätten sie einfach bessere Strecken verdient“, so Eich. In einem Grußwort wies auch der am Wochenende aus dem Amt geschiedene Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), Helmut Digel, darauf hin, dass sich die DM im Straßenlauf zu einer der „wichtigsten und größten Meisterschaftsveranstaltungen des DLV“ entwickelt hätte. „Man muss umdenken“, sagte Eich, „jetzt stehen die schlechten Halbmarathon-Zeiten für ein ganzes Jahr fest, und dabei geht es für uns um Kaderkreise und Förderung.“

Bereits im vergangenen Jahr gab es Kritik an der Veranstaltung in Freiburg. Sonja Oberem erinnerte sich sogar an einen „Samstagsnachnittags-Longjog“. Sie sei im Breisgau überhaupt nicht „in die Gänge“ gekommen. In Arnstadt belegte die Läuferin von Bayer Leverkusen Platz zwei hinter Petra Wassiluk (Eintracht Frankfurt). Beide blieben auf der Halbmarathon-Distanz unter 72 Minuten. „Es waren alle Topläuferinnen da, man war wirklich gefordert“, sagte Wassiluk. Nur die Leipzigerin Katrin Dörre-Heinig musste wegen einer erneut aufgebrochenen Verletzung auf einen Start verzichten.

Den Halbmarathon begriffen die Läufer des DLV als „Standortbestimmung“, erklärten sie einmütig. Eich trainierte zuvor in Südafrika, Oberem auf Mallorca. Wassiluk hatte sich über zwei Monate im kalifornischen San Diego auf die Saison vorbereitet. In knapp vier Wochen steht der erste große Höhepunkt bevor: der Hamburg-Marathon. Dort wird es darum gehen, Bestzeiten zu brechen und die Normen für die WM in Edmonton zu laufen. Eich will sich an 2:10:22 versuchen, Wassiluk unter 2:30 Stunden rennen und Oberem ihre Bestmarke aus dem letzten Jahr (2:27:25) unterbieten. Angesichts der guten Zeiten im Feld der Frauen fiel die Kritik am Veranstalter moderater aus. „Das war okay hier“, meinte Oberem. „Es war zumindest nicht langweilig auf der Strecke“, sagte Wassiluk.

Arnstadt, eine Kleinstadt mit 28.000 Einwohnern am Fuß des Thüringer Waldes, versucht sich als Leichtathletik-Veranstalter zu etablieren. Das Meeting „Hochsprung mit Musik“ lockt seit einem Vierteljahrhundert Spitzenathleten an. Vor einem Jahr fanden im neu ausgebauten Jahn-Stadion die Süddeutschen Meisterschaften statt. Im kommenden sollen die Leichtathletik-Senioren zur Deutschen Meisterschaft anreisen. Trotz des familiären Umfeldes, das Arnstadt den Läufern bot, kamen fast 500 Läufer weniger als nach Freiburg. „Es war hier eben mehr Klasse als Masse“, sagte Wassiluk. In Hamburg auf der doppelten Distanz wird’s genau umgekehrt sein.

MARKUS VÖLKER

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