der homosexuelle mann ...
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von ELMAR KRAUSHAAR

... ist recht einfach gestrickt. So jedenfalls versucht der aktuelle Spiegel das Wunder der abweichenden männlichen Natur zu erklären. Mit 25 beispielsweise wurde Volker, der Koch, von einem Mann verführt und hatte seine „sexuelle Identität“ gefunden. So einfach geht das und dann – so der Spiegel – fängt das gute Leben an: In der Regel wird der „Gay“ von heute stinkreich, liebt Parfums und pflegt seine Haut, liest gern ein gutes Buch und ist ständig auf Reisen. Und so weiter. Nach dieser Lektüre wissen wir es genau: Die beiden grenzdebilen Kühlkost-Homos Holger und Max aus der Iglo-Werbung sind Dokumentation pur, so sieht schwules Leben tatsächlich aus.

Selbstverständlich haben die Spiegel-Autorinnen ihre diversen Studien zur Hand, mit denen – wieder einmal – das ganze Lifestyle-Geschnatter belegt und bewiesen werden soll. Seit Erfindung des Schwulen hält man ihn mit Studien, Untersuchungen und Forschungsergebnissen in Schach. Damit konnte man ihm alles anhängen: Wider die Natur waren die Schwulen, als die Justiz es verlangte, zu Perversen wurden sie, als die Moral danach schrie. Jetzt sind sie chic und trendy, besser noch: „witzig und wohlhabend“ (Spiegel). Der Zeitgeist will es so.

Wie jetzt im Spiegel versuchen inzwischen seit Jahren JournalistInnen mit den ständig gleichen Behauptungen den Imagewechsel der Schwulen herbeizuschreiben. Sie denken sich nichts dabei, mit Zahlen zu hantieren, die sich schon auf den zweiten Blick als Fake entlarven, und haben überhaupt keine Hemmungen, die Soap-Präsenz von Schwulen und das Interesse von Kaffeeröstern an schwulen Käufern als einen irgendwie gearteten Fortschritt zu preisen.

Wie gut es den Homos tatsächlich geht, dafür hat der Spiegel auch einen kompetenten Voyeur vor Ort: Wolfgang Joop. War diese Aufgabe des intimen Kenners der halbdunklen Szenerie noch während der Achtziger- und Neunzigerjahre in dem Nachrichtenmagazin Rosa von Praunheim vorbehalten, so ist der Wechsel zum neuen Kronzeugen Teil des veränderten Homo-Image-Konzepts. War Praunheim noch schlicht schwul und von missionarischem Eifer, so lässt Joop sich annoncieren als „bekennender Bisexueller“ und ist nur noch der Marke und dem Markt verpflichtet. Seine einfältigen (und damit ist er doch ein kongenialer Praunheim-Nachfolger) Beobachtungen sind ein einziger Stilmix, ganz wie es sich für einen Designer gehört. Er pickt sich hier war raus und da, was ins kleine Blondköpfchen passt, und kreiert daraus seinen eigenen Homo-Cocktail: Bareback und Benetton, KZ und Gucci, Aids und Sugardaddys ohne Zukunft. Das Leben ist eine einziger Party, und die Homos sind ein wunderbares Smalltalk-Thema zwischen zwei Drinks.

War diese Rolle des teilnehmenden Beobachters in früheren Jahrzehnten vor allem den Sexualwissenschaftlern vorbehalten, so hält jetzt ein Modemacher die Rede. Waren die gefilterten Äußerungen der einstigen Koryphäen noch der Aufklärung verpflichtet, so geben Joop und Konsorten die Sicherheit, dass nicht mehr daraus wird als ein bisschen Unterhaltung, Zerstreuung, Zeitvertreib.