: Igeltaktik und Nullnummer
Vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Griechenland betreibt DFB-Teamchef Völler psychologische Aufbauhilfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nur Oliver Bierhoff bleibt davon verschont
von FRANK KETTERER
Es ist ja nun Gott sei Dank nicht so, dass nur der deutsche Fußball ein paar Zipperlein mit sich herumschleppt. Nein, nein, das tun andere schon auch. Zum Beispiel Griechenland: wird ausgerechnet vom Internationalen Fußball-Verband (Fifa) bedroht – und zwar gleich mit Ausschluss von der WM-Qualifikation. Schuld daran ist ein Gesetz, das Mitte letzten Jahres von der griechischen Regierung verabschiedet wurde und einem verurteilten Griechen verbietet, im Vorstand eines nationalen Sportverbandes tätig zu sein, was so blöde gar nicht klingt. Dumm nur daran ist, dass derzeit ausgerechnet gegen Victor Mitropoulos, Vizepräsident des griechischen Fußballverbandes EPO sowie Ligachef, ein Gerichtsverfahren läuft – und zwar wegen Unterschlagung von 276.000 Mark.
Sportminister Giorgos Floridis jedenfalls will das neue Gesetz anwenden und Mitropoulos absetzen, die Fifa sieht genau in diesem Wunsch eine schlimme Einmischung von außen in den Fußball, was nach Fifa-Statuten natürlich strengstens verboten – und ganz klar mit Ausschluss zu ahnden ist. Was zur Folge hätte, dass alle WM-Qualifikationsspiele mit und gegen die Griechen für null und nichtig erklärt und auch der deutschen Auswahl Punkte abgezogen würden. Und zwar sechs an der Zahl, sollte sie auch ihr zweites Gruppenspiel gegen die EPO-Fußballer gewinnen.
Der Kick heute Abend in Athen (20.15 Uhr/live in der ARD) könnte für DFB-Teamchef Rudi Völler und seine Mannen also ganz schnell zur Nullnummer werden, was gar nicht zweideutig gemeint sein soll. Da kann man sich leicht vorstellen, wie die Herren Nationalspieler den Ausflug in die Sonne angehen: bisschen rumliegen im ägäischen Frühling, ein paar köstliche Gläschen Retsina schlürfen und auch sonst den Herrgott einen lieben Mann sein lassen. Von wegen! Nichts ist es geworden mit ein paar zusätzlichen Urlaubstagen im Süden.
Stattdessen hat Teamchef Völler vor dem Spiel ausführlich üben lassen: die Igeltaktik; die Pressekonferenzen – ausgelagert; das Training– zwei von drei Mal nicht öffentlich; deutsche Tageszeitungen – an die Spieler nicht verteilt, weil zuletzt so viel Böses drin stand über sie; der Zugang zum Quartier – abgesperrt vom Hotelpersonal. Völlig eingeigelt mit Rudi, weil der Teamchef nach dem leicht blamablen Auftritt gegen Albanien am Samstag zu der Erkenntnis gekommen war, „den Spielern Selbstvertrauen einimpfen“ zu müssen. Also: psychologische Aufbauhilfe unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Weil: „Vielen muss man Mut zusprechen.“
Zumindest bei Oliver Bierhoff mutete dieser Vorgang ungewöhnlich an: Von „Mann zu Mann“ und „Auge in Auge“ habe der Teamchef, so wusste DFB-Mediendirektor Wolfgang Niersbach anderntags zu berichten, mit dem Kapitän gesprochen, das Ergebnis war das zu erwartende: Bierhoff wird gegen die Griechen nicht in der Anfangsformation stehen – und somit auch die Kapitänsbinde weiterreichen müssen, und zwar an Torhüter Oliver Kahn. Dass dieser Vorgang Bierhoff sonderlich Mut gemacht hat, ist anzuzweifeln, andererseits laut Völler aber auch kaum wesentlich. „Es ist doch gar nicht so wichtig, wer spielt“, sagt der. „Wichtig ist, dass wir mit einem anderen Selbstvertrauen ins Spiel gehen.“
Erwähnt sei es zum Schluss trotzdem: dass Carsten Jancker für Bierhoff stürmen soll, Mehmet Scholl ohnehin gelb gesperrt fehlt, Michael Ballack seine Sperre gegen Albanien abgesessen hat und auch Marko Rehmer als Kandidat für die Anfangself gilt – an Stelle von Dieter Hamann nämlich. Auch zu vermerken ist, dass Sebastian Deisler, Oliver Neuville sowie Marco Bode angeschlagen sind und Völler schon deshalb keine weiteren Angaben machen möchte. Auch egal! Wer spielt, ist ja ohnehin nicht wichtig.
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