: Die Piaf der Karibik?
Hüften aus Latex, Stimme mit Schmelz: Omara Portuondo in der Musikhalle ■ Von Knut Henkel
Als Tänzerin eroberte Omara Portuondo die großen Bühnen Havannas, bevor sie zum Mikrofon griff. Und bei einer guten Rumba läßt die 70-Jährige auch heute noch ihre Hüften schwingen, als wären sie aus Latex.
Im Callejon de Hamel, einer kleinen Gasse im Zentrum der Stadt, hat sie früher gemeinsam mit ihrem Mann Rolando Espinosa das sachkundige Pub-likum zu Beifallsstürmen hingerissen. Rumbera, Rumbatänzerin, ist Omara Portuondo schon von klein auf, und Kubas ehemals besten Rumba-Tänzer, hat sie beinahe zwangsläufig kennengelernt. Denn bereits als Vierjährige musste ihre Mutter sie vom großen Bruder suchen lassen, weil die Kleine mit dem Brot nicht nach Hause kam, das sie kaufen sollte. Mit weit aufgerissenen Augen stand Omara dann auf einem der Hinterhöfe der Nachbarschaft und schaute Musikern und Tänzern bei einer der spontanen Rumba-Fiestas zu, bis der große Bruder sie nach Hause zerrte.
Der Rumba ist die „Königin des Bolero“, wie sie in Kuba genannt wird, bis heute treu geblieben und so auch dem Stadtteil, in dem sie aufwuchs. Weit entfernt wohnt sie auch heute sowieso nicht, und von ihrem schönen Appartment im 12. Stock eines Hochhauses an Havannas Uferpromenade, dem Malecón, kann sie einige Dächer des Cayo Hueso, der Knocheninsel, sehen. Dem Stadtteil, in dem sie, wie auch viele Rumberos, groß wurde.
Beruflich allerdings hat die bescheiden auftretende Sängerin die Finger von der Rumba gelassen. Na gut, im Tropicana, dem legendären Revuetheater Havannas, hat sie zusammen mit Espinosa auch etwas Rumba getanzt. Aber gesungen, nein, gesungen hat sie die Rumba nie. Ohnehin musste man sie zu ihren ersten Auftritten auf die Bühne zerren. Schüchtern war sie, und als sie das erste Mal im Tropicana tanzen sollte, wollte sie auf keinen Fall ihre Beine zeigen. Diese Schüchternheit hat Omara lange abgelegt, und Lampenfieber ist Kubas bekanntester Bolero-Interpretin unbekannt. Der große Karriereknick, den etwa ihre Freunde Ibrahím Ferrer und Rubén González verschmerzen mussten, ist ihr erspart geblieben. Im Tropicana ist sie bis heute ein begehrter Star – doch zu sehen kriegt man sie auch dort nur noch selten.
Ihr Terminkalender ist voll und ihre Zeit in Kuba eng bemessen. Dabei schätzt sie das ausgesprochen kritische heimische Publikum sehr und vermisst die Auftritte auf der Insel. „Ich bin meinem kubanischen Publikum verpflichtet“, sagt sie, sich eine Haarsträhne aus der Stirn streichend. „Und es stimuliert mich, treibt mich an, auch den letzten Ton richtig zu treffen und mein Repertoire auszuschöpfen.“ Das kann sich sehen lassen, denn neben den gefühlvollen Balladen, den Boleros, singt sie auch Son, Cha Cha Cha oder den einen oder anderen Chanson.
Seit einem legendären Auftritt mit Edith Piaf in Havanna hat sie ohnehin den Titel der „Edith Piaf der Karibik“ weg. Eine Ehre für die bescheidene Sängerin, die auch gemeinsam mit Nat King Cole auf der Bühne stand und sich gerne an den charmanten Sänger erinnert. Von ihm hat sie einiges gelernt, und er hat schließlich auch die eine oder andere Spur in der kubanischen Musik hinterlassen, ist sich Omara sicher. „Die kubanische Kultur ist sehr offen gegenüber anderen Kulturen, die sie befruchten, ohne das sie ihren eigenen Charakter verliert. Das hat sich in der Vielschichtigkeit unserer Musik deutlich niedergeschlagen“, sagt sie.
Über deren internationale Wiederentdeckung und die ihrer Kollegen freut sich die Tochter eines schwarzen Baseballspielers natürlich. „Wir sind auf dem besten Wege, an den Einfluß, den die kubanische Musik in den fünfziger Jahren hatte, wieder anzuknüpfen“. Grammy-Nominierungen zuhauf bestätigen dies, doch ob es so weit kommt wie damals, als Rumba und Mambo sogar den Buckingham Palace erobern konnten, muss sich erst noch zeigen. Zeigen kann dieser Tage aber erst einmal Omara, was sie noch drauf hat. Und vielleicht ist ja auch eine kleine Rumba dabei, mit der sie das Publikum in der Musikhalle aus dem Samtsitzen reißt.
Montag, 20 Uhr, Musikhalle
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