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Stille Wasser sind tief

Heute wird Wilhelmshaven zum neuen Standort für den Tiefwasser-Hafen gekürt  ■ Von Peter Ahrens

Heute Mittag werden sich drei SPD-Länderchefs im Hamburger Rathaus vor die Presse begeben und verkünden, dass in Wilhelmshaven ein neuer großer Hafen an der deutschen Nordseeküste entstehen wird. Niedersachsens Minis-terpräsident Sigmar Gabriel wird zufrieden lächeln, Bremens Bürgermeister Henning Scherf wird wie üblich übers ganze Gesicht strahlen, und Hamburgs Erster Bürgermeister Ortwin Runde wird als Gastgeber mit süßsaurer Miene dazwischen sitzen und alles tun, einen Misserfolg als fairen Kompromiss umzudeuten. In der Debatte um den Tiefwasserhafen und seinen Standort sind Niedersachsen und Bremen die Gewinner. Verlierer sind Hamburg – und die Umwelt.

Hamburg begehe einen „riesigen, strategischen Fehler“, wenn es sich „kleinlaut aus überzogener Kompromissbereitschaft“ auf die Wilhelmshaven-Lösung einlasse und nicht auf der Alternative Cuxhaven beharre, hat sich CDU-Fraktionschef Ole von Beust gestern schon mal auf den Bürgermeister eingeschossen. Nachdem der Senat mit Hängen und Würgen den A380 durchgeboxt hat und die CDU auf diesem Feld keinen Angriffspunkt mehr hat, sieht sie jetzt bei diesem Thema die Chance, der Wirtschaftspolitik von Rot-Grün am Zeug zu flicken. Alle Sachargumente sprächen für Cuxhaven, lehnten sich von Beust und sein wirtschaftspolitischer Sprecher, Karl-Heinz Ehlers, aus dem Fenster. Cuxhaven koste erheblich weniger – knapp 350 Millionen Mark werden von Ehlers geschätzt – , die Hinterlandverbindungen seien viel besser, außerdem liege es schlicht viel näher an Hamburg. Niedersachsen wolle dagegen Wilhelmshaven um jeden Preis nur durchsetzen, um der strukturschwachen Region dort unter die Arme zu greifen. Von daher richtete von Beust „den dringenden Appell, hamburgische Interessen mit Nachdruck zu vertreten“.

Während zwischen den beiden Bewerberstädten seit Monaten ein Standortscharmützel geführt wird, verschwindet dahinter die Frage, ob ein solcher Hafen überhaupt gebraucht wird. Das weiß zurzeit niemand, weder Hafenwirtschaft noch Senat oder CDU. Denn ob die Containerschiffe in der Zukunft tatsächlich immer größer und schwerer werden und dann nicht mehr die Flusshäfen Hamburg und Bremen anlaufen können, steht in den Sternen.

„Die entscheidende Frage des Bedarfs wurde bisher nicht beantwortet“, finden die Umweltverbände „Rettet die Elbe“ und „Aktionskonferenz Nordsee“ und beantworten sie dann selbst: „Ein neuer Tiefwasserhafen findet zu Lasten des Steuerzahlers und der Umwelt statt, ist unseriöse Zukunftsspekulation und daher unverantwortlich.“

Was die Umweltverbände vor allem fürchten, sind schwerste ökologische Schäden für das Wattenmeer, wenn der Hafen käme. Durch „massive Baggerungen im Fahrwasser, das erhöhte Risiko einer Schiffshavarie und die Zubetonierung wertvoller Flächen“ werde der Lebensraum Wattenmeer geschädigt, prognostizieren sie. Und eine Alternative zum Ausbaggern der Elbe, da sind sich Umweltschutz und Hafenwirtschaft einig, ist ein Tiefwasserhafen auch nicht. Ehlers machte gestern noch einmal klar, dass aus seiner Sicht „eine weitere Vertiefung der Elbe ohnehin notwendig“ sei.

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