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Wenn TUI-Kunden baden gehen

Der Einstieg des renommierten Veranstalters in das Timeshare-Geschäft verblüfft nicht nur die Verbraucherschützer

„Schöne Ferien“ – mit diesem Slogan bewirbt die TUI-Gruppe ihre Angebote. „Schöne Bescherung“, sagen nun einige Urlauber, die mit dem europäischen Branchenprimus verreisten. Denn die Hannoveraner verkaufen mit unseriösen Methoden so genannte Timeshare-Modelle. Verbraucherverbände warnen vor diesen Praktiken.

Der weltgrößte Touristikkonzern Preussag – zu ihm gehört auch die TUI – hatte sich im Januar mit 51 Prozent an dem Timeshare-Unternehmen Anfi del Mar mit Sitz auf Gran Canaria beteiligt. Dorthin brach zuletzt auch Anne K. auf. Unmittelbar nach der Ankunft habe der Reiseleiter den Urlaubern bereits im Bus vom Flughafen zum Hotel „zusammen mit den Reiseunterlagen Info-Material über das neue Hotelprojekt Anfi und einen Gutschein über 7.000 Peseten ausgehändigt“. Er sollte eingelöst werden, sobald sich die Besucher bereit erklärten, das Anfi-Resort zu besichtigen. Abschließend, so hieß es, sei lediglich ein Fragebogen auszufüllen, um die Anlage zu beurteilen.

Rund zwanzig Gäste, darunter Frau K., folgten später der „Einladung“. Doch die kurze Visite habe sich vor Ort als mehrstündige Besichtigungstour entpuppt. Als die Anfi-Crew dann auch noch nach Geburtsdatum, Beruf und Heimatanschrift fragte, machte sich in der Touristengruppe ein mulmiges Gefühl breit. Die Belegschaft erklärte, die Informationen würden für die Versicherung benötigt, „falls der Gruppe etwas zustoße“, so Frau K. Erst nach mehrmaligem Nachfragen erfuhren die Teilnehmer, dass es sich bei der Anlage um ein Timeshare-Modell handelt, dieser Begriff seit dem Einstig der TUI aber nicht mehr verwendet werden dürfe.

Frau K. unterschrieb nicht. Hingegen griff TUI-Kundin Christiane H. zum Füller, unterzeichnete nach stundenlangen Verkaufsgesprächen und zahlreichen Gläsern Champagner einen Vertrag, zahlte 2.500 Mark per Kreditkarte an. Das Ehepaar suchte unmittelbar nach der Rückkehr einen Anwalt auf, trat vom Kaufvertrag zurück. Das Geld wurde zurückerstattet.

Derlei Praktiken, in Kombination mit einer Urlaubsreise durch einen renommierten Anbieter Verkaufsgespräche anzubahnen, sind der deutsch- schweizerischen Schutzgemeinschaft für Auslandsgrundbesitz ein Dorn im Auge. Sie vertritt seit Jahren Timeshare-Geschädigte. „Das ist wie eine Butterfahrt unter dem Deckmäntelchen ‚schöne Ferien‘“, sagt Wolfgang Sommerfeld von der Verbraucherlobby. Beschwerden von ersten betroffenen TUI-Urlaubern sind bereits auf dem Tisch der Schutzgemeinschaft gelandet.

Verbraucherverbände warnen vor dem Erwerb dieser speziellen Teilzeitwohnrechte, bei denen der Kunde seine Ferien stets in der gleichen Anlage verbringt und außerdem noch Flugkosten, Transfer und Verpflegung zahlen muss. Ferner berappt ein Timeshare-Kunde bei der TUI derzeit neben den einmaligen Einstiegskosten von rund 25.000 Mark für ein Apartment Betriebskosten in Höhe von zirka 650 Mark pro Jahr.

Anfi del Mar ist bereits ein alter Bekannter der Konsumentenschützer. Noch vor einem Jahr hatten TUI- Reiseleiter ihre Gäste vor dem Wucher bei Anfi gewarnt. Das Unternehmen steht auch nach dem Einstieg der TUI auf der schwarzen Liste der Zeitschrift Finanztest aus dem Haus Stiftung Warentest. „Der letzte Betrugsfall von Anfi, über den ich etwas von einem TUI-Urlauber erfahren habe, ist erst zwei Tage alt“, sagt Timeshare-Experte Hans Witt. Der auf Kapitalrecht spezialisierte Heidelberger Jurist moniert unter anderem die Anzahlungen, die Kunden bei Vertragsunterzeichnung leisten müssen. „Das Timeshare-Gesetz verbietet ganz klar die Forderung wie auch die Einnahme von Geld binnen der ersten zehn Tage nach Vertragsunterzeichnung bei einem Kunden“, zitiert Witt eine 1996 verabschiedete EU-Richtlinie, die Verbrauchern diese Mindestrechte europaweit einräumt.

Die TUI sieht das anders. Der Veranstalter ist der Meinung, Anzahlungen seien zulässig, solange sie einem Treuhänder binnen dieser Frist übergeben werden. „Wir halten die Anzahlung auf Treuhandkonten, wie es die TUI macht, für nicht zulässig. Eine Zahlung bei Vertragsunterzeichnung erschwert es den Kunden, aus dem Kontrakt herauszukommen. Es wundert uns, dass die TUI so etwas nötig hat“, sagt der Jurist Jürgen Rossner von der Verbraucherzentrale Niedersachsen.

Dass der Preussag-Konzern in dieses Geschäft eingestiegen ist, hat einen einfachen Grund: Die Gewinnaussichten sind bis zu 15 Prozent höher als im herkömmlichen Reisemarkt. Der zum Manager des Jahres gekürte Preussag-Chef Michael Frenzel hat seinen Aktionären eine Rendite von fünf Prozent versprochen und das Timesharing zur Chefsache erklärt. Der TUI-Verantwortliche Manfred Schönleben bemüht sich um Schadensbegrenzung und kündigte an, für Kunden ein Rückkaufrecht nach zehn Jahren einzuführen.

Warum trotz Aufklärungskampagnen so viele Menschen bereit sind, überteuerte Teilzeitwohnrechte zu kaufen, kann Konsumentenschützer Sommerfeld erklären: „Der Mischung aus Urlaubsstimmung, schönem Wetter und perfekt psychologisch geschulten Verkäufern können viele nicht widerstehen.“ Bei der TUI sieht er die Besonderheit darin, dass dem Konzern die Vertragspartner bei der Buchung sozusagen in den Schoß fallen. Da der Kunde das zehntägige Widerrufsrecht besitzt, „werden Urlauber, die nur eine Woche bleiben, erst gar nicht angesprochen. Ziel ist, dass das Rücktrittsrecht erloschen ist, wenn der Urlauber wieder zu Hause ist.“ Außerdem hat auch die Crew vor Ort ein gesteigertes Interesse daran, die Angebote an die Frau und den Mann zu bringen. „Für jedes Pärchen, das wir vermitteln, erhalten wir, egal ob ein Vertrag zustande kommt oder nicht, ein Kopfgeld in dreistelliger Höhe“, erzählt eine TUI-Reiseleiterin über ihr Zubrot. TATJANA MEIER

Dieser Artikel erschien in der Frankfurter Rundschau am 23. 3. und war dem Touristikkonzern ein Dorn im Auge.

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