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Eskalation im Westjordanland

Israelischer Minister fordert die Bombardierung von Arafats Palast. Zehntausende Palästinenser nehmen an Begräbnissen teil und protestieren gegen die Hubschrauberangriffe auf Gasa-Stadt. Siedler randalieren wegen toten Babys in Hebron

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Die Bombardierung von „Arafats Palast“ forderte der israelische Tourismusminister Rechawam Seewi (Nationale Union, rechtsaußen) im Verlauf der Kabinettssitzung am gestrigen Sonntag. Seewi kritisierte die „zu schwache“ Vergeltungsaktion der israelischen Armee, die Ende vergangener Woche mehrere palästinensische Städte bombardierte. Die Hubschrauber- und Panzerangriffe „auf leer stehende Lager der ,Force 17‘ sind nicht die passende Antwort“ auf die jüngsten Anschläge, meinte der Minister. Israel macht die „Force 17“, die Leibgarde von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, für die Planung von Terrorattentaten mitverantwortlich. Dementgegen warnte die Industrie- und Handelsministerin Dalia Yizhik (Arbeitspartei) davor, „den politischen Weg zu zerstören“.

Rund eine Stunde dauerte die Bombardierung der Quartiere von Arafats Leibgarde im Gasa-Streifen. Die Angriffe mit Raketen und 800-mm-Geschossen trafen die Bevölkerung ohne jede Vorwarnung, wie Augenzeugen berichteten. In der gesamten Region sei sofort der Strom ausgefallen. Viele Fensterscheiben zersplitterten durch den Überdruck. Da keine Bunker vorhanden sind, retteten sich die Leute ins Kellergeschoss, wo sie im Dunkeln bis zum Ende der Angriffe ausharrten.

Die israelischen Militärs träfen zudem Vorbereitungen für eine erneute Invasion, erklärte der palästinensische Chef der Nationalen Sicherheit, Abdel Rasik el Madjaida, im palästinensischen Rundfunk. So würden neue Panzerstützpunkte errichtet. In Wahrheit hatte Premierminister Ariel Scharon die Räumung dreier isolierter Siedlungen im Gasa-Streifen in Aussicht gestellt, sollten sich die Palästinenser auf eine verlängerte Interimsperionde einlassen.

Infolge der Angriffe kam es im Westjordanland und im Gasa-Streifen zu weiteren Unruhen. An der Beerdigung von sechs Todesopfern nahmen am Wochenende tausende Demonstranten teil. Am gestrigen Sonntag erlag ein 12-jähriger Junge, der bereits vor zwei Wochen bei Auseinandersetzungen angeschossen worden war und seitdem im Koma lag, seinen Verletzungen.

Vier Tage nach ihrem Tod wurde gestern in Hebron das zehn Monate alte jüdische Mädchen zu Grabe getraben, das von einem palästinensischen Scharfschützen erschossen worden war. Ihre Eltern hatten sich geweigert, das Kind sofort nach seinem Tod zu begraben, sondern wollten die Regierung mit der Verzögerung der Beisetzung unter Druck setzen und die Eroberung des Hügels erzwingen, von dem aus geschossen worden war. Zwischen den jüdischen Siedlern und den israelischen Soldaten war es in den vergangenen Tagen wiederholt zu Handgreiflichkeiten gekommen. Aus Zorn über den Tod des Babys hatten die Siedler auch in den benachbarten palästinensischen Läden randaliert. Oppositionsführer Jossi Sarid erklärte im israelischen Rundfunk, dass in Israel eine Mehrheit die Evakuierung der Siedlung in Hebron befürworte. „Solange die Siedler in der Stadt bleiben, wird das Blutvergießen andauern.“

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