piwik no script img

Spermieninjektion muss bezahlt werden

Das Bundessozialgericht verpflichtet die gesetzlichen Krankenkassen, die Kosten für die Spermieninjektion zu übernehmen. Früherer Verdacht höherer Fehlbildungen durch die ICSI-Methode ist mittlerweile entkräftet

BERLIN taz ■ Drei Ehepaare haben vor dem Bundessozialgericht (BSG) gegen ihre gesetzlichen Krankenkassen geklagt, weil die Kassen die Leistungen für eine künstliche Befruchtung nach dem Verfahren der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) nicht übernehmen wollten. Gestern verhandelte das Bundessozialgericht nun über eine Revision des Kassenrechts bei der ICSI-Methode. Ergebnis: die gesetzlichen Krankenkassen müssen die Befruchtung mittels der Spermieninjektion zukünftig bezahlen. Von den privaten Kassen wurden die Behandlungskosten seit jeher getragen.

Die gesetzlichen Krankenkassen hatten sich in den drei Fällen geweigert, die Kosten von rund 2.400 Mark für die Behandlung zu übernehmen. Ihre Begründung: Bisher sei nicht ausreichend bekannt, wie hoch das Risiko von Fehlbildungen und genetischen Schäden bei der ICSI sei. Die ICSI-Behandlung wird im Wesentlichen dann angewandt, wenn die Beweglichkeit der Spermien so stark eingeschränkt ist, dass selbst die Befruchtung im Reagenzglas nicht mehr funktioniert. Wie bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) werden bei der ICSI beiden Partnern Keimzellen entnommen. Ein einzelnes Spermium wird dann mit Hilfe einer mikroskopisch dünnen Nadel direkt in die Eizelle eingespritzt und das befruchtete Ei der Frau wieder eingepflanzt.

Zum ersten Mal glückte die ICSI-Technik 1992. Im Jahre 1997 waren bereits 15.000 ICSI-Behandlungen erfolgt. Nach jahrelanger Erfahrung mit der Befruchtungsmethode bezeichnet das Bremer Zentrum für Fortpflanzungsmedizin die intrazytoplasmatische Spermieninjektion als „die zur Zeit erfolgreichste Behandlungsmethode“. Auch Wolfgang Würfel, Arzt und Pressesprecher der deutschen Gesellschaft für gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DEGEF), kann aus seiner achtjährigen Erfahrung mit der ICSI-Behandlung die ursprünglichen Bedenken der Kassen nicht teilen: „Wir haben hunderte von Kindern untersucht, die durch ICSI gezeugt worden waren. Die Vorwände der Kassen, das Risiko der Fehlbildungen bei ICSI sei so hoch, konnten wir nicht bestätigen.“

Mit der Entscheidung des BSG scheint im Bereich der künstlichen Befruchtung die Zwei-Klassen-Medizin aufgehoben: „Die soziologische Struktur unserer Kunderwunschpaare zeigt, dass überdurchschnittlich viele Kassenpatienten sind. Für diese Paare „mit einem sehr kleinen Geldbeutel“ sei das „sehr wichtig“, sagte Würfel.

In den von den Bundesrichtern verhandelten Klagen erhielt allerdings nur eine der Klägerinnen recht. Zwei Kläger, bei denen schon 1996 die Methode angewandt worden war, werden kein Geld von ihrer Kasse erhalten. Der Grund: das ICSI-Verfahren war zu diesem Zeitpunkt noch eine neue und somit nicht erstattungspflichtige Methode.

ANNA HOLZSCHEITER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen