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Kanzler stellt Frauen in den Schatten

Die Chancen für ein Gleichstellungsgesetz in dieser Legislaturperiode schwinden. Kanzler Schröder hält Rede beim Siemens-Forum: „Es muss nicht für jedes gesellschaftliche Problem ein Gesetz gemacht werden.“ Und die Frauenverbände sind empört

von ANNA HOLZSCHEITER

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass der Kanzler seine Botschaft zur Gleichstellung der Frauen ausgerechnet beim Siemens-Forum „Corporate Citizenship“ verkündete: „Erst wenn nach einer vernünftigen Frist – in diesem Fall habe ich gesagt: drei Jahre – keine einvernehmliche oder zufriedenstellende Regelung gefunden ist, führt der Gesetzgeber eine verbindliche Klärung herbei“, sagte Schröder am Dienstagabend vor einem Publikum, das zum überwiegenden Teil aus Vertretern großer Unternehmen bestand. Drei Jahre vertraut er also „weiter auf die Bereitschaft der Betriebe zur Selbstverpflichtung“. Einem Gleichstellungsgesetz in dieser Legislaturperiode erteilte Schröder damit eine klare Absage.

Das Frauenministerium wollte die Kanzler-Rede nicht kommentieren: „Wir haben letzte Woche vereinbart, uns bis Anfang Mai auf die Ziele und Instrumente bei der Gleichstellung zu einigen. An diesem Sachstand hat sich auch nach Schröders Rede nichts geändert“, sagte Pressesprecherin Leoni Gebers.

Es wird wohl eine Einigung zu Schröders Bedingungen werden. In seiner Rede sprach er von einer „offenen Gesellschaft, die Chancengleichheit und Optionen zur Selbstverwirklichung garantiert“ – einen Anlass, diese Werte für den weiblichen Teil der Gesellschaft zur Not zwingend in Unternehmen durchzusetzen, sieht er offenbar nicht. Ingrid Weber vom Deutschen Juristinnenverband sieht dringenden Handlungsbedarf: „Jahrzehntelange Erfahrung hat gezeigt, dass die Unternehmen nur in Ausnahmefällen etwas freiwillig gemacht haben. Und jetzt weiterhin auf diese Freiwilligkeit zu setzen, ist unverantwortlich.“ Auch Gisela Breil vom DGB ist entrüstet: „Ohne eine gesetzliche Regelung gibt es für mich keine echte Gleichstellung.“

In den letzten Tagen war vermehrt diskutiert worden, inwieweit der Kanzler seiner Familienministerin bei dem Gesetzesvorhaben überhaupt noch Rückendeckung gibt. (taz vom 29. 3.) Die Äußerungen vor dem Siemens-Publikum scheinen seine Distanz zur Gleichstellung zu bestätigen. Und das, obwohl ein Gleichstellungsgesetz bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Im vergangenen Herbst hatte Frauenministerin Christine Bergmann schon Eckpunkte für ein solches Gesetz vorgestellt. Mittlerweile sieht es so aus, als werde es statt des Gesetzes nur freie Vereinbarungen mit der Wirtschaft geben. Die Frauenverbände sind entmutigt, meint Breil: „Wir wollen doch nicht weitere drei Jahre ständig um dieses Gleichstellungsgesetz betteln.“ Bergmanns Eckpunkte sind weitaus weniger „zwingend“, als sie dargestellt werden. Das Stufengesetz sieht nämlich vor, dass Betriebe zunächst mit ihren Betriebsräten und Gewerkschaften über die gesetzliche vorgeschriebenen Mindeststandards verhandeln sollen. Sollte diese Eigenverantwortung nicht fruchten, würden auf einer zweiten Stufe staatlich verordnete Gleichstellungspläne und eine Frauenbeauftragte ins Haus stehen. Dieses Zwei-Stufen-Modell findet Anklang beim Juristinnenverband: „Das Stufengesetz der Ministerin Bergmann hat unsere volle Unterstützung, aber wenn nach zwei oder drei Jahren immer noch nichts passiert ist, dann muss klar sein, dass die Betriebe zur Gleichstellung verpflichtet werden müssen“, sagte Weber.

Bevor Schröder seine konkrete Aussage zur Zukunft des Gleichstellungsgesetzes machte, wies er laut Redemanuskript darauf hin, dass die Bedeutung des Zivilgesellschaft darin liege, „weniger paternalistisches, etatistisches Denken“ zu fördern. Er ziele daher darauf ab, „im Schatten des Gesetzes“ zu verhandeln. Der Kanzler wurde noch deutlicher: Er wolle eine Konsensdemokratie aber „nicht im Glauben daran, dass für jedes gesellschaftliche Problem ein Gesetz gemacht werde muss“. Gleich im Anschluss nannte er ein konkretes Beispiel für „Politik-Management“ im Schatten des Gesetzes: die Frauenförderung.

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