bizarre welt des buchhandels. heute: das menopausenrubbeln
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von WIGLAF DROSTE

Auf seiner Lesereise machte Jakob Arjouni in Berlin Station. In der Buchhandlung Hacker und Presting las er aus „Kismet“, dem vierten Roman um den Privatdetektiv Kemal Kayankaya. Arjouni, an Dashiell Hammett geschult, schreibt schöne Sätze: „Wäre Marilyn Monroe an der Seite einer kleinen, dürren, pickligen, ihr Leben lang Zahnspange tragenden Schwester durchs Leben gegangen, hätte man sagen können: Offenbach und Frankfurt wirkten nebeneinander wie die Monroe-Schwestern.“ Die Abneigung gegen Offenbach leuchtet sofort ein, allein die Begeisterung für Frankfurt, dem Zentrum geistiger Breitarschigkeit, bleibt rätselhaft.

Die Charlottenburger Buchhandlung ist vollgestopft mit Menschen, die es unbequem haben. Auf harten Klappstühlen müssen sie sitzen, wissen im Berliner Winter nicht wohin mit Mänteln, Schals und Hüten, auch für Knie und Füße ist wenig Platz, es ist eng, es ist stickig, und gleichzeitig, weil sogar in der offenen Eingangstür noch Zuhörer stehen, zieht es eisig um die Beine. Das ist ein Jammer, gerade weil Arjouni seinen Text nicht routiniert herunterleiert oder, noch unangenehmer, mit gespreizter Großkunstgeste vor sich her trägt. Er liest so, wie man lesen soll, lebendig und natürlich.

Noch lieber hätte man zugehört, wäre man nicht auf die Verneinung eines Stuhls geknebelt worden. Es ist für alle Beteiligten wenig schmeichelhaft, wenn schon nach nur einem knappen Stündchen allgemeine Erleichterung darüber herrschen muss, dass die Sache vorbei ist. Wie sagte Harry Rowohlt so eindringlich: „Nach einer Stunde schon Schluss? Da habe ich mich ja noch nicht mal richtig hingesetzt.“ Warum also der Klappstuhlterror? Der umso unbegreiflicher ist, als die Buchhändlerin Frau Hacker nichts von der Verhuschtheit verströmt, die allzu oft das Kleid der Buchhändlerin ist. Ich erinnere mich an eine Buchhändlerin, die mit verhärmter Empörung ausrief: „Giordano Bruno wollte 1.500 Mark für eine Lesung!“ Was nicht teuer gewesen wäre, denn für das Wunder, den im Jahre 1600 in Rom von der päpstlichen Inquisition verbrannten Giordano Bruno einmal lesen zu hören, hätten nicht wenige bereitwillig eine weit größere Summe gezahlt. Die Buchhändlerin meinte aber bloß Ralph Giordano, den Mann mit Dutt, der seine Eitelkeit für die richtige Waffe gegen Jörg Haider hält. Nichts davon bei Frau Hacker. Als ich sie frage, warum sie die „Klassik für Kids“-Kassetten des Schmierseifepianisten Justus Frantz verkauft, unter anderen eine mit dem Titel „Schu-bi-du Schubert“, sagt sie: „Die muss ich verkaufen. Ich bin mit dem verwandt.“ Dass eine Buchhändlerin so klar und lebensklug spricht, ist leider selten. Später erklärt Frau Hacker noch, warum Buchhandelsvertreter auch im Sommer stets langärmlige Hemden tragen. Es ist wegen der Buchhändlerinnen, die ihre Hände beidseitig an den Armen der Buchhandelsvertreter auf und ab sausen lassen. Frau Hacker hat dafür das schöne Wort Menopausenrubbeln in die Welt gestellt. Vielen Dank. Dass ich sie aber ihren Mann „Hasi“ nennen hörte, gab mir doch einen Stich.