: Endgültig Funkstille für Projekt 147
Das DAB-Moratorium der norddeutsche Länder bremst Radio der Zukunft aus, weil es die HörerInnen ignoriert
BERLIN taz ■ Eigentlich klingt die Sache auch heute noch ganz vernünftig: Digitales Radio, neudeutsch DAB (Digital Audio Broadcasting), bietet bessere technische Qualität, störungsfreieren Empfang und einen deutlich kostengünstigeren Betrieb des Sendernetzes, wobei neben dem Hörfunkprogramm noch weitere Datendienste – theoretisch sogar TV-Bilder – mitübertragen werden können.
Geforscht wird seit bald 20 Jahren, von 1987 bis 1994 ließ die EU unter der Projektnummer 147 ihres Eureka-Programms eine einheitliche DAB-Norm entwickeln, und zur Funkausstellung 1995 sollte es dann richtig losgehen mit dem Radio der Zukunft. Doch seither herrscht so gut wie Funkstille. Erst ab 1997 gab es tatsächlich digitale Radioempfänger zu kaufen – in Minimalauflagen: Ein ordentliches Gerät kostet derzeit noch weit über 1.000 Mark, der HörerInnenkreis fällt entsprechend winzig aus.
Jetzt scheint DAB endgültig aufs Abstellgleis der Technikgeschichte zu rollen: Zwar beschwören wackere Befürworter – allen voran die maßgeblich an der Entwicklung von DAB beteiligte Deutsche Telekom – wieder einmal die Wiederauferstehung zur Funkausstellung 2001. Doch Ende vergangener Woche beschlossen die norddeutschen Bundesländer, die bei Radiofragen im Verbund agieren, weiteres Engagement in Sachen DAB abzublasen. Aus den beteiligten Staatskanzleien wird zwar ein weiteres Treffen der Länder Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Hollstein für die zweite Jahreshälfte angekündigt, de facto besteht aber schon jetzt ein Moratorium bis 2003.
Denn DAB wurde bislang rein technisch begriffen – und komplett an den potenziellen HörerInnen vorbeientwickelt: Das Autoradio stand für die Geräteindustrie stets im Mittelpunkt, obwohl, so eine in der vergangenen Woche vorgestellte Studie der Grünen, „kaum nachzuvollziehen“ sei, „warum ausgerechnet digitale Audioqualität im Auto mit all seinen Fahrgeräuschen zur Geltung kommen soll“. Auch bei der zum Teil aufwendigen Begleitforschung für die in mehreren Bundesländern durchgeführten Pilotprojekte wurde laut Studie getrickts: In einem Fall waren knapp drei Viertel der Testpersonen in Wirklichkeit Mitarbeiter von an der DAB-Entwicklung beteiligten Firmen.
Dass das Nord-Moratorium jetzt de facto das endgültige Aus für die mit Millionensummen aus öffentlichen Forschungshaushalten und Rundfunkgebühren entwickelte Technik bedeutet, trägt die Hörfunkbranche mit Gelassenheit. Der Norden, der sich auch erst spät und zögerlich an den Pilotversuchen beteiligte, habe eben den richtigen Riecher gehabt, sagt Axel Hose, Chefredakteur von Radio Schleswig-Hollstein: „Wir sind nicht unbedingt traurig“. Denn „seit sieben Jahren hören wir: ‚Jetzt kommt der Durchbruch!‘ “ – doch dann sei wieder nichts passiert. Dass die DAB-Lobby rund um die Telekom ab Mai noch einmal mit einer millionenschweren Marketingkampagne unter dem Motto „Be prepared“ antritt, ändert an Hoses Einschätzung nichts. Denn eine „digitale Zukunft“ für den Hörfunk gebe es sehr wohl, nur sei „DAB mit Sicherheit nicht der optimale Weg“. Er will endlich über „andere Möglickeiten reden. Die Privatradios sind nicht gegen die Digitalisierung. Sie sperren sich nur dagegen, viel Geld für etwas auszugeben, was hinterher kaum durchzusetzen sein wird.“
STEFFEN GRIMBERG
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