: Väter ohne Spielraum
Die Väter-Kampagne von Familienministerin Bergmann ist gut gemeint, aber wirkungslos. Sie ignoriert die Realitäten. Eine neue Männerpolitik steht noch aus
Jetzt füllt er die Doppelseiten der deutschen Illustrierten, der smarte Papa aus Pappe. Der Protagonist der Anzeigenmotive für die Kampagne „Mehr Spielraum für Väter“ von Familienministerin Christine Bergmann scheint einem Katalog für Herrenmode entsprungen zu sein. Mit Lambswoolpullover und sauberen Bügelfalten steht er reichlich desorientiert in sterilen Einbauküchen oder düsteren Kinderzimmern herum. „Wäre es nicht schön, wirklich dabei zu sein?“ Nein danke. Das verbreitet eher Depression als Lust auf engagierte Vaterschaft.
Immerhin war das Medienecho auf die Kampagne enorm: Das Herrenmagazin Der Spiegel lästert über den „Aufruf zum Wickeldienst“; die taz meint, die „Lüge von den neuen Vätern“ aufdecken zu müssen; die Welt-Kommentatorin glaubt, „dass kleine Kinder ihre Mütter dringender brauchen als Väter“. Also eine ungewöhnlich breite Berichterstattung für ein Thema, das die männerbündische Politikwelt, wie einst Kanzler Schröder, gern als „sonstiges Gedöns“ abtut.
Doch von gestalterischen Mängeln ganz abgesehen: Die Plakatkampagne fragt nicht nach den Ursachen, die selbst familienorientierte Väter in die traditionellen Rollen drängen. Denn dass sich Männer heute mehr für ihre Kinder interessieren, ist keine Lüge. Vor allem in jenen Milieus der Großstädte, die man früher „alternativ“ nannte, hat eine neue, bunte Vätergeneration die klassischen Arbeitsmänner abgelöst. Es handelt sich zwar um Minderheiten, aber die süffisante Kritik von ungeduldigen Feministinnen und enttäuschten 68ern, die immer wieder den Stillstand ausrufen, ist billig.
Familienorientierte Männer haben sich von den Rollenmustern ihrer Eltern weit entfernt, haben in den Köpfen umgedacht. Doch nach der Geburt von Kindern schnappt die Traditionsfalle zu: Papa „verdient einfach mehr“. Der Anspruch, sich „partnerschaftlich“ und gemeinsam um den Nachwuchs kümmern zu wollen, bleibt häufig Illusion. Viele Väter geben zu Hause den Deppen, den ewigen Praktikanten des Privaten. Sie artikulieren aber neuerdings zumindest, dass sie unter dieser Rolle leiden. Sie verdrängen ihre Unzufriedenheit nicht mehr. Und ihre Berichte aus der männlichen Gegenwelt der Arbeit sind ernüchternd. Da drohen Unternehmer gleich mit Kündigung, wenn Männer versuchen, eine Babypause zu beantragen.
Der weibliche Dauervorwurf, dass nur 2 Prozent der Väter eine Babypause einlegen, nervt da schon. Auch weil diese Anklage ausblendet, dass 98 Prozent der Mütter bei diesem Arrangement mitmachen. Sie wollen nämlich die wichtigste Bezugsperson im Leben ihrer Kinder sein. Auch dass er voll arbeitet und sie halb, ist keine Verschwörung karriereverliebter Workaholics. In stillem Einverständnis, oder auch in offener Komplizenschaft, ermuntern Frauen zu Überstunden, damit die Kasse stimmt. Sie unterstützen das Lebenskonzept „Hauptsache Arbeit“ ihrer Partner. Sie teilen die große Beachtung, die „sein“ Job und dessen Erhalt um jeden Preis für die Familie hat. Als Gegenleistung übernehmen sie die Regie in Haushalt und Erziehung, beanspruchen aber zugleich die Definitionsmacht: Sie wissen einfach besser, was zu tun ist und welche Maßstäbe anzulegen sind. Männer sollen sich mit Nörgeleien über schlecht gespülte Teetassen auseinander setzen oder über die Nachteile der praktischen Buntwäsche bei 40 Grad belehren lassen. Findet Mama einen brüllenden Säugling vor, hat während ihrer Abwesenheit garantiert die väterliche Pflege versagt – auch wenn das Kind einfach nur Bauchschmerzen plagen. Extremes Ergebnis kann sein, dass sich Gattinnen im Vorstand-Eigenheim einrichten und gar nicht mehr auf die Idee kommen, gegen Bezahlung „arbeiten zu gehen“. Den auf ihre Aufgabe festgelegten Ernährern bleibt dann in der Tat wenig „Spielraum“.
Rhetorisch ist seit ein paar Jahren viel von „Gender“ und „Geschlechterdemokratie“ die Rede. Häufig handelt es sich dabei um alten Wein in neuen Schläuchen. Die uncoole Frauenförderung bekam ein neues Etikett verpasst. Wirklich neue Akzente einer eigenständigen Männerpolitik lassen dagegen auf sich warten. Sie werden schon deshalb nicht gesetzt, weil „Frauengleichstellerinnen“ traditioneller Prägung das Geschlechterthema verwalten. Wenn Männer sich verändern sollen, brauchen ihre Initiativen eigene Foren und Finanzmittel, in Forschung und Wissenschaft wie in Verbänden und Institutionen.
Daher war im Familienministerium ursprünglich viel mehr ausgeheckt worden als nur ein neuerlicher Plakatappell an die Männer, sich endlich, endlich zu ändern. Nach dem Regierungswechsel 1998 hatten Publizisten, Gewerkschafter und Wissenschaftler in einem offenen Brief an Bergmann eine „neue Väterpolitik“ gefordert, um Männern „Wege aus ihrer eindimensionalen Ausrichtung auf die Erwerbsarbeit“ zu öffnen.
Vorschläge dazu: Wie wäre es mit einem anständigen Zuschuss an „Paps“, dem ehrgeizigen, aber leider ökonomisch prekären Versuch, den Markt der Elternzeitschriften (die eigentlich Muttizeitschriften sind) aufzumischen? Wieso ist „Mädchenarbeit“ immer noch wichtiger als „Jungenarbeit“, obwohl der Blick in eine beliebige Grundschulklasse oder Kindergartengruppe genügt, um festzustellen, wer hier verhaltensauffällig ist und der sozialpädagogischen Betreuung bedarf? Wo bleiben die Hochschulprofessuren, oder auch nur die anständig bezahlten Aufträge oder Stellen, für männliche „Gender“-Experten? Junge Nachwuchswissenschaftler, die sich darauf spezialisiert haben, gibt es genug. Doch angesichts der leeren Kassen an den Universitäten fürchtet die Frauenforschung (nicht ganz zu Unrecht) um ihre Pfründen.
Auch an der patriarchalen Ausrichtung der staatlichen Rahmenbedingungen hat sich trotz leichter Verbesserungen bei Teilzeit und Erziehungsgeld wenig geändert. Steuer- und Familienrecht stützen nach wie vor die alten Geschlechterrollen. Rot-Grün hat sich weder getraut, nach skandinavischem Vorbild eine obligatorische und gut bezahlte „Väterzeit“ einzuführen, noch, am Ehegattensplitting zu rütteln, dem wichtigsten Bonus für das Hausfrauen- und Zuverdienerinnenmodell.
Die Kampagne von Christine Bergmann wollte ursprünglich einen Anfang in diese Richtung wagen. Erste Pläne sahen zum Beispiel vor, lokale Männer-Netzwerke oder praxisnahe Väterprojekte zu fördern. Die Unterstützer solcher Ansätze im Familienministerium haben sich aber nicht durchsetzen können. Übrig blieb der Papi-Kamerad, der jetzt auch durch Fernsehspots und Kinosäle geistert. Gut gemeinte Appelle wie „Verpass nicht die Rolle deines Lebens!“ hatten schon Bergmanns Länderkolleginnen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ausgegeben – ohne dass sich Nennenswertes getan hätte.
So bleibt die Plakatkampagne reine Imagewerbung, die verdecken soll, dass die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. THOMAS GESTERKAMP
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