Skopje rückt näher an Europa heran

Das von Makedonien und der Europäischen Union unterzeichnete Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen eröffnet dem Balkanstaat neue wirtschaftliche Perspektiven. Und Brüssel erhält die Chance, die makedonische Innenpolitik zu beeinflussen

von ERICH RATHFELDER

Für Makedonien hat sich die Politik der Annäherung an die EU ausgezahlt. Mit dem Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen, das gestern in Brüssel unterzeichnet wurde, hat die EU Versprechen eingehalten, die vor und während des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien gegeben wurden. Noch kurz nach der Nato-Intervention 1999 im Kosovo zeigten sich Politiker des Landes, das neben Albanien die Hauptbürde bei der Bewältigung der Flüchtlinge aus dem Kosovo zu tragen hatte, enttäuscht über die schleppende Hilfe durch die EU.

Mit dem Abkommen wird jetzt die wirtschaftliche Perspektive für Makedonien erheblich verbessert. Außenminister Srdjan Kerim, einer der konsequentesten Proeuropäer in der Regierung, war erleichtert. „Für uns ist das ein großer historischer Tag. Wir haben einen großen Schritt in Richtung Europa getan.“

Mit dem EU-Abkommen erwirbt Makedonien Handelsvorteile. Zwischen der EU und Makedonien soll in den nächsten zehn Jahren ein zollfreier Verkehr erreicht werden. Brüssel hatte Makedonien bereits 2000 umfangreiche Handelserleichterungen eingeräumt. Zudem stellt die EU 40 Millionen Euro zur Verfügung, um Projekte im Ausbildungssektor, so die neue albanischsprachige Universität in Tetovo, oder für Kommunalverwaltungen zu finanzieren. Weiter sollen 80 Millionen Euro zur Stabilisierung des Staatshaushalts verwendet werden.

Das Land ist aber auch Verpflichtungen eingegangen. Die EU und ihr Außenminister Javier Solana dürften in nächster Zeit mehr Möglichkeiten haben, Einfluss auf die Innenpolitik und damit auf die Nationalitätenkonflikte zu nehmen. Denn mit dem Abkommen verpflichtet sich Makedonien, demokratische Prinzipien, Menschenrechte und die Rechte der Minderheiten zu achten. In der Verfassung sind zwar all diese Rechte verbürgt, in der Praxis jedoch haben der Staat und die slawische Mehrheitsbevölkerung diese Prinzipien nicht immer umgesetzt.

So fordert die in der Regierungskoalition vertretene Demokratische Partei der Albaner (DPA) eine internationale Vermittlung in den internen Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen. Knackpunkt bleibt die geringe Repräsentation von Albanern und anderen Minderheiten in den staatlichen Institutionen und der staatlichen Wirtschaft. Weiter fordern die Albaner, als gleichberechtigte Nation in Makedonien anerkannt zu werden. Premierminister Ljupco Georgievski und der Präsident Makedoniens, Boris Trajkovski, lehnen bisher ernsthafte Verhandlungen über den Status der Minderheiten ab.

Der Vizevorsitzende der DPA, Menduh Thaci, erklärte in Brüssel deshalb sogar, dass die bewaffneten Gruppen der UÇK wieder aktiv werden könnten, wenn es in Bezug auf diese beiden Forderungen keine Fortschritte gebe. Die zweite größere Partei der Albaner, die Partei der Demokratischen Prosperität (PDP), war dem Treffen in Brüssel wegen dieser Fragen als einzige Partei aus Protest ferngeblieben.

Makedonien ist nach Slowenien der zweite Nachfolgestaat Exjugoslawiens, der so nahe an die EU gerückt ist. Mit Kroatien wird derzeit über ein ähnliches Abkommen verhandelt. Weitere Teilnehmer des 1999 begonnenen Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses sind Albanien, Bosnien und Herzegowina und Jugoslawien. Die nominell zu Jugoslawien gehörende Republik Montenegro fordert von der EU, von Serbien unabhängige Gespräche über den Integrationsprozess zu führen.