Richter der UNO im Kosovo

Um angeklagten Serben ein faires Verfahren zu sichern, werden internationale Juristen an die Gerichte entsandt. Kosovarische Kollegen nicht immer begeistert

KÖLN taz ■ Mutmaßliche Kriegsverbrecher aus dem Kosovo-Konflikt müssen nicht unbedingt an den UN-Gerichtshof nach Den Haag überstellt werden. Inzwischen gibt es auch eine dezentrale Lösung vor Ort. Seit einigen Monaten arbeiten zwölf „internationale Richter“ mit UN-Mandat im international verwalteten Kosovo. Mit dabei ist als einziger Deutscher auch der Duisburger Strafrichter Ingo Risch. Gemeinsam mit einer Delegation hochrangiger kosovarischer Juristen besuchte er kürzlich das Oberlandesgericht Köln, um von seiner Arbeit zu berichten.

Vorrangig kümmern sich die UN-Richter um die derzeit rund 25 Kriegsverbrecherprozesse im Kosovo. Die ausländischen Juristen sollen sicherstellen, dass auch serbische Angeklagte ein faires Verfahren erhalten. Die kosovarische Justiz ist zwar seit dem Vorjahr wieder arbeitsfähig, wie Rexhep Haxhimusa, der Präsident des Obersten Gerichtshofs aus der Hauptstadt Pristina berichtete, sie gilt aber im Umgang mit serbischen Angeklagten als tendenziell befangen.

Führende Positionen in der kosovarischen Justiz nehmen die ein, die schon vor 1990 in Jugoslawien als Richter und Staatsanwälte arbeiteten. Alle albanischen Juristen sind nach den Auseinandersetzungen um die Abschaffung des Autonomiestatuts entlassen worden. Die letzten zehn Jahre konnten sie nur privat als Rechtsanwälte weiterarbeiten. Da sie nicht als Alibi-Albaner fungieren wollen, verweigern sie oft die Teilnahme.

Im Prinzip akzeptiert die kosovarische Justiz zwar die Arbeit der internationalen Richter, doch gibt es auch Akzeptanzprobleme – etwa weil ein UN-Richter jeden Fall an sich ziehen kann, den er für „heikel“ hält. „Wenn aber zuvor ein kosovarischer Richter mit dem Fall betraut war, dann empfindet er das natürlich als Misstrauensvotum“, sagt Risch. Auch die UN-Vorgabe, dass in Kriegsverbrecherprozessen die internationalen Richter die Mehrheit in den jeweils dreiköpfigen Kammern stellen müssen, stößt vor Ort auf wenig Gegenliebe.

„Es ist zwar möglich, die Prozesse ausschließlich mit internationalen Richtern zu führen, doch dann sind wir bald zeitlich überlastet“, erklärt Risch. Die vom deutschen Außenministerium bezahlte Delegationsreise diente daher auch der Vertrauensbildung zwischen internationalen und kosovarischen Richtern.

Der Duisburger Jurist glaubt, dass die Akzeptanz der internationalen Richter in der einheimischen Bevölkerung deutlich höher ist als bei der einheimischen Justiz. Insbesondere Ingo Risch profitiert als Deutscher vom immer noch vorhandenen Wohlwollen gegenüber der Bundeswehr. Wenn allerdings ein Urteil nicht so hart ausfällt, wie es sich die Leute vorstellten, dann kann es auch schnell brenzlig werden. „Neulich haben 2.500 Menschen gegen eine vermeintlich zu milde Entscheidung protestiert. Da sind dann deutsche Panzer aufgefahren.“

Probleme gibt es immer wieder mit der Beweislage. „Wenn bei einem Massaker alle potenziellen Zeugen umgebracht wurden, dann ist eine Verurteilung sehr schwierig“, gibt Risch zu bedenken. Die Rechtsgrundlagen sind dagegen eher unproblematisch, denn Mord und Völkermord waren auch in Jugoslawien strafbar. Enttäuscht sei die Bevölkerung aber über die vom ehemaligen UN-Administrator Bernard Kouchner dekretierte Abschaffung der Todesstrafe. Für Risch, den 54-jährigen Richter aus Duisburg, war dies aber eine Voraussetzung für das Kosovo-Engagement. „Ich hätte niemanden zum Tode verurteilen wollen.“

Auf Serbien ist das Modell der dezentralen UN-Richter kaum übertragbar, schließlich ist Restjugoslawien immer noch ein souveräner Staat. CHRISTIAN RATH