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Fast so etwas wie Widerstand

Im Vergleich zu Gorleben war der Atomtransport Richtung Frankreich gestern ein Spaziergang – sowohl für die Polizei als auch für die Atomgegner

aus Biblis, Philippsburg und WörthKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Ist das der Atomstaat? Polizei zu Lande, zu Wasser und in der Luft, ganztägig in Philippsburg und Grafenrheinfeld. Polizei beim Metzger und beim Bäcker am frühen Morgen in Biblis.

Dennoch: kein Vergleich zu den Ereignissen in Gorleben vor zwei Wochen. Nicht viel zu tun gab es in Biblis gestern morgen für die Hundertschaften der hessischen Bereitschaftspolizei. Kein Demonstrant weit und breit. Und auch noch kein Zug mit dem Spezialbehälter für abgebrannte Brennelemente aus dem nahen AKW in Sicht. Auch auf den Brücken in Hessen stehen sich die Polizisten die Beine in den Bauch. Erst um 14.09 Uhr wird der kurze Atommüllzug losfahren.

Die Anti-Atom-Bewegung konzentrierte gestern ihre Kräfte auf die badische Kleinstadt Philippsburg zwischen Mannheim und Karlsruhe. Der harte Kern aus etwa 400 Aktivisten wollte sich nicht aufspalten lassen, hieß es. In Grafenrheinfeld zeigte nur Greenpeace am Vormittag Flagge: Vier Umweltschützer schweißten sich mit Ketten an den Bahngleisen fest; sie wurden losgeschweißt und – vorübergehend – festgenommen. Und neun weitere Atomkraftgegner der Organisation gleich mit. Die Polizei warf ihnen Nötigung vor.

Die zwölf Brennelemente aus Grafenrheinfeld waren schnell auf einen Lastkraftwagen verladen und zum Bahnhof Gochsheim gebracht worden. Nach dem Umladen auf die Bahn meldete Grafenrheinfeld als erstes deutsches Atomkraftwerk gegen 11 Uhr Vollzug. Der Zug fuhr los nach Wörth am Rhein, hart an der Grenze zu Frankreich, und wartete dann dort: auf die Atommüllwaggons aus Biblis und Philippsburg. Als Dreierpack sollte die strahlende Fracht dann noch am Abend die Grenze passieren und Kurs auf die WAA in La Hague in der Normandie nehmen.

Rund 1.000 Polizisten allein aus Rheinland-Pfalz waren schon am Vormittag in Wörth und der gesamten Grenzregion in Stellung gegangen. Im Wörther Stadtteil Maximiliansau wurden rund zwanzig Atomkraftgegner, die sich zum Bahnhof durchschlagen wollten, von Polizeikräften eingekesselt, gefilzt und dann festgesetzt. „Keine Maus kommt heute zum Bahnhof durch“, verkündete eine Sprecherin der rheinland-pfälzischen Polizei am Mittag stolz. Der graue Bahnhof war ganz grün: von Polizei- und Bundesgrenzschutzuniformen.

So etwas wie Widerstand konnte man am Vormittag in Philippsburg beobachten. Rund 400 Atomkraftgegner inszenierten ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei, die sogar noch auf dem Rhein patrouillierte. Im nahen Rheinhausen schaffte eine kleine Gruppe von „X-tausendmal quer“ über die Felder den Durchbruch durch die weiträumige Absperrung um die ganze Region. Schienen werden unterhöhlt. Die Polizei blieb gelassen: Es waren die falschen Gleise. An der Transportsstrecke standen sie Mann an Mann. Man habe hier „alles im Griff“, so Polizeipressesprecher Norbert Scharer in Sichtweite der gewaltigen Kühltürme des AKWs.

Nicht ganz. Zwei Atomkraftgegner durchbrachen am Vormittag mit ihren Autos eine Polizeisperre und stellten ihre Rostlauben auf den Gleisen ab. Da musste der Abschleppdienst ran. Einen anderen Atomkraftgegner zogen Polizisten aus seinem Fahrzeug. Er hatte frisch angerührten Beton geladen. Immer wieder versuchten Aktivisten in kleinen Gruppen an die Gleise oder das AKW heranzukommen; vergeblich.

Gegen 11 Uhr fuhr die Lok ungehindert auf das Gelände des Atomkraftwerks, begleitet von Hubschraubern. Gegen 14 Uhr öffneten sich die Werkstore erneut: mit dem Atommüllbehälter auf dem Waggon. In Biblis ging es zur gleichen Zeit los. Und der Zug aus Grafenrheinfeld rollte schon. Treffpunkt Wörth, auch für die Atomkraftgegner. Kurz vor Redaktionsschluss sickerte noch durch, dass die gefährliche Fracht Wörth möglicherweise ohne Halt passieren würde, da die drei Waggons schon im zwanzig Kilometer entfernten Germersheim zusammengekoppelt würden.

Hinter der Grenze dann plötzlich Ruhe. Im französischen Lauterbourg ist kein einzige Uniform mehr zu sehen. Auch keine Gegner, die auf den Atomtransport warten. Solche Transporte sind in Frankreich Normalität. Das ist die andere Art von Atomstaat.

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