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Keine Garantie mehr für Kita-Card

GAL-Familienpolitikerin Sonja Deuter distanziert sich von Reform-Projekt  ■ Von Kaija Kutter

Die GAL-Familienpolitikerin Sonja Deuter gab nach taz-Informationen am Dienstag ihre Zuständigkeit für den Kita-Bereich ab. Grund: wesentliche Eckpunkte der Kita-Card-Reform sollen erst nach der Wahl festgelegt werden. „Ich kann nicht mehr garantieren, dass dies eine sozial ausgewogene Reform zum Nutzen der Eltern und zum Wohle der Kinder wird“, sagt Deuter. Auslöser für die Entscheidung ist eine Senatsdrucksache, die die Bürgerschaft über den Stand der Reform-Vorbereitungen informieren soll. Deuter hatte gefordert, dass dort Eckpunkte verankert werden, unter anderem in der strittigen Frage der Kriterien, wer eine Kita-Card bekommt und wer nicht.

Einen Rechtsanspruch auf einen Vierstunden-Platz für Drei- bis Sechsjährige gibt es ohnehin. Ziel der Reform war es, Eltern da-rüber hinaus eine Platzgarantie zu geben, weil vier Stunden für die Aufnahme einer Berufstätigkeit viel zu knapp sind. Was Deuter nun ärgert: das Kriterium „berufssuchend“ sei nun neu definiert worden, so dass Eltern, die wegen der Kinderbetreuung ausgestiegen sind „ganz schlechte Karten haben, einen Platz zu bekommen“. So werden nur jene erwähnt, die sich „zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit“ befinden oder bereits „Beschäftigung in Aussicht haben“. Langzeitarbeitslose oder Mütter, die nach längerer Pause wieder in den Beruf wollen, so Deuter, könnten bei dieser Formulierung leer ausgehen.

„Ich bin generell dagegen, zwischen den Bedarfen der Eltern eine Hierarchie zu schaffen“, sagt Deuter. Diese Hierarchiefreiheit sei bereits in dem Bürgerschaftsbeschluss zur Einführung der Kita-Card vom Dezember 1999 verankert. Deuter fürchtet, dass dies nach der Wahl vergessen werden könnte.

Kritiker bemängelten in der Kita-Card-Debatte immer wieder, dass jene Kinder, die aus sozialen Gründen einen Kita-Platz haben (17 Prozent), herausgedrängt würden. In der Senatsdrucksache wird nun eine Spaltung des „sozialen Bedarfs“ angedacht. Eine „eng begrenzte“ Gruppe, die einen „dringlichen“ Bedarf hat, der jährlich überprüft wird, bekommt zuerst einen Platz. Eltern, die berufstätig oder in Ausbildung sind, kommen an zweiter Stelle, „sonstige sozial bedingte und pädagogische Bedarfslagen“ zuletzt. Alle diese Plätze würden „nach Ermessen“ vergeben. Die einst versprochene „Betreuungsgarantie“ soll es laut Senatsbericht erst nach Reformeinführung geben, wenn „emipirische Daten“ vorliegen.

Die GAL-Frau befürchtet weiter, dass der „pädagogische Mittagstisch“ ins Kita-Card-System einbezogen wird, was eine bürokratische Hürde für dieses bewusst niedrigschwellige Angebot bedeute. Auch stört sie, dass der Förderbedarf für die Intergration künftig „behindertenspezifisch“ differenziert werde und sich nicht mehr an den Bedürfnissen des Kindes orientiere.

Und auch die Frage der Qualitätsstandards – über die monatelang an Runden Tischen verhandelt wurde – hätte laut Deuter noch vor der Wahl „eingetütet“ werden müssen. Der Senat, so ihre Kritik, habe sich durch die Ergebnisse der Iska-Studie zu früh entmutigen lassen, die besagte, dass für die Einführung der Kita-Card 17.000 Plätze fehlten. Die Aussagefähigkeit Studie sei fraglich, weil die Forscher bei der Umfrage die neuen Elternbeiträge – Ganztagsplätze wurden teurer als Halbtagsplätze – nicht berücksichtigten.

Deuter hatte bereits am Freitag ihre Parteikollegen als „zahme Bettvorleger“ bezeichnet. Ihren Rückzug teilte sie der Fraktion per Fax mit. Sie wolle sich zu diesem Schritt nicht äußern, sagt Fraktions-Chefin Antje Möller. Es sei ihr seit Freitag nicht möglich gewesen, mit Deuter zu sprechen. Auch könne sie eine Verschärfung der Kita-Card-Kriterien nicht bestätigen: „Es gibt für die GAL keinen Grund, die Politik zu diesem Thema zu verändern.“

Heike Sudmann, vom Regenbogen bezeichnete Deuters Rückzug als „zu spät und auch unglaubwürdig“. Sei sie es doch gewesen, die die „sozial unausgewogene“ Reform „bis auf Messer“ verteidigt habe. SPD-Jugendpolitiker Thomas Böwer indes misst der Drucksache nicht allzuviel Gewicht bei und verweist auf den Entwurf des SPD-Wahlprogramms. Seine Partei wolle in der nächsten Legislaturperiode noch einmal „kräftig in den Ausbau des Platzangebots investieren“, so Böwer zur taz. Die Größenordnung sei „eine ambitionierte“. Das werde sich nicht mehr im Rahmen des derzeit auf 580 Millionen Mark gedeckelten Kita-Etats bewegen.

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