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Wo war noch gleich Steuerbord?

Offenbar war ein inkompetenter Steuermann des zypriotischen Frachters schuld an der Havarie des Öltankers „Baltic Carrier“ Ende März vor der der dänischen Küste. Inzwischen finden sich auch an deutschen Stränden Ölklumpen

KOPENHAGEN taz ■ Große Dummheit war offenbar Ursache für die Ölpest vor der dänischen Ostseeküste durch den leckgeschlagenen Tanker „Baltic Carrier“. Nach ersten Ermittlungen deutscher und dänischer Schifffahrtsbehörden hatte die Besatzung des zypriotischen Zuckerfrachters „Tern“, der Ende März den manövrierunfähigen Tanker rammte, schlicht Steuerbord und Backbord verwechselt. Das berichteten mehrere dänische Zeitungen.

Demnach gab es Funkkontakt zwischen dem unter der Flagge der Marshall-Inseln fahrenden Tankers und dem Zuckerfrachter, kurz bevor sie in der Kadetrinne kollidierten, einer engen Fahrrinne zwischen der mecklenburgischen Halbinsel Darß und der dänischen Insel Falster.

Die „Baltic Carrier“ trieb manövrierunfähig in der engen Fahrrinne, weil ihre Steueranlage ausgefallen war. Deshalb schickte sie gleich drei Funksprüchen an die Brücke der „Tern“, die ihr entgegen kam: „Achtung, wir sind manövrierunfähig, Sie müssen nach Steuerbord steuern und ausweichen.“ Doch der Dienst habende zweite Steuermann des Billigflaggenfrachters „Tern“ verstand offenbar den Begriff „Steuerbord“ nicht, drehte im Gegenteil genau in die falsche Richtung: nach Backbord. Er steuerte direkt in den Tanker und traf ihn mittschiffs. Der Tanker verlor 2.600 Tonnen Schweröl.

Frank Schmoll von der Wasserschutzpolizei Mecklenburg-Vorpommern bestätigt in der dänischen Presse diesen Vorgang: „Der erste derartige Funkspruch wurde drei Minuten vor der Kollission abgesetzt.“ Nach Einschätzung des Chefs der dänischen Seefahrtsbehörde, Knud Skaareberg Eriksen, hatte die „Tern“ zu diesem Zeitpunkt gute Chancen, die Kollision abzuwenden. Den fraglichen Funkverkehr bestätigt auch Christian Subklew von der „Lotsenbrüderschaft Rostock“: „Unser wachhabender Lotse hat den Funkkontakt mitgehört und ebenfalls feststellen müssen, dass die beiden Schiffe sich nicht verstanden.“

Die Schlamperei löste in Dänemark Empörung aus. „Es spottet jeder Beschreibung, dass offenbar so schlecht ausgebildete Besatzungen mit ihrer gefährlichen Last ständig hier herumkreuzen“, klagt Jorn Jespersen, Vorsitzender des Umweltausschusses des dänischen Parlaments. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein noch schlimmeres Unglück passiert.“ Jespersen fordert als Konsequenz einen Lotsenzwang für alle größeren Schiffe mit gefährlicher Last in der ganzen Ostsee.

Inzwischen wurden über Ostern weitere Ölklumpen auch an der deutschen Ostseeküste angespült. Neben Usedom waren diesesmal auch die Küsten am Fischland, bei Graal-Müritz und Warnemünde betroffen. Experten rechnen mit weiteren Verschmutzungen. Ob es sich dabei, wie vermutet, um Öl der „Baltic Carrier“ handelt, soll diese Woche durch Laboruntersuchungen geklärt werden. REINHARD WOLFF

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