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Sozi sparen für die Waschmaschine

Neuordnung der Sozialhilfe geplant: Pauschale soll Einzelanträge ersetzen  ■ Von Kaija Kutter

Dass sie kommt, ist klar, nur nicht wie. Die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) plant einen Modellversuch für die Pauschalierung der Sozialhilfe. Bewahrheitet sich, was im einem internen BAGS-Protokoll festgehalten wurde, so bekommen alle Hilfeempfänger in Altona, Mitte, Harburg und Bergedorf ab 1. Juli statt einmaliger Beträge für spezielle Bedarfe wie Schulmaterial, Klassenfahrten oder Waschmaschinen einen monatlichen Festbetrag – errechnet auf der Basis der Ausgaben von 1999.

„Wir arbeiten an einer Drucksache, die im Juni an den Senat gehen und, wenn dieser zustimmt, ab Juli umgesetzt werden soll“, bestätigt BAGS-Sprecherin Ute Winkelmann-Bade. Der Versuch solle kos-tenneutral sein und per Rechtsverordnung in vier Bezirken laufen. Über Details wolle sich die Behörde nicht äußern.

Eine Auskunft, die auch Initiativen und Bürgerschaftsabgeordnete jüngst bekamen. „Uns wurde nur gesagt, die Sache läuft ab Juli“, sagt Lars Martins, der für den Regenbogen im Altonaer Sozialausschuss sitzt, „aber die Preise, die Höhe der Pauschalen, wurden uns nicht genannt.“ Es sei ein Skandal, dass die Behörde einen „closed shop“ betreibe. „Der Senat stellt die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen, was das Schlimmste erwarten lässt“, sagt auch Regenbogen-Sozialexperte Dirk Hauer.

Die Pauschalierung war ursprünglich eine alte Forderung von Sozialhilfe-Initiativen, kann sie doch den entwürdigenden Kleinkrieg mit Sachbearbeitern ersparen. Seit 1999 ist sie bundesweit allen Kommunen erlaubt. Welche Probleme Pauschalen bringen, wurde vergangene Woche bei einer Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie deutlich, wo der Kieler Sozialplaner Kurt Feldmann-Jäger über den dortigen „Versuch“ berichtete. Seit dem 1. Januar bekommen Einzelpersonen in Kiel eine Pauschale von 75 Mark monatlich, eine vierköpfige Familie 250 Mark, die auch für Sonderausgaben wie Klassenreisen oder die Anschaffung elektrischer Großgeräte reichen soll. Zusätzlich bewilligt werden nur noch einmalige Anschaffungen wie Umstandskleider, der Erstkauf von Matratzen und Möbeln, Miete, Heizung und Bestattungskosten. Gehen Herd oder Waschmaschine kaputt, so das Prinzip, soll die Familie dies aus der angesparten Pauschale bezahlen. Gleiches gilt, nach einer Schonfrist von sechs Monaten, für Klassenreisen.

„Es ist absurd zu glauben, dass Sozialhilfeempfänger von ihrem wenigen Geld etwas ansparen können“, kritisiert Gitta Barufke vom Bundesverband der Sozialhilfeinitiativen. Die Kieler Pauschale mache lediglich eine längst fällige Erhöhung des Regelsatzes aus. Eine Pauschale sei für kleinere Dinge sinnvoll, nicht aber für „Klassenfahrten oder Waschmaschinen“.

„Die Kommunen gehen alle von extrem runtergerechneten Zahlen aus, wenn sie Pauschalen bemessen“, kritisiert auch die Essener Sozialrechtlerin Helga Spindler. Der Bund müsse diese seriös berechnen und dürfe das nicht den Gemeinden überlassen: „Die wissen, die vor Ort kriegen am ehesten eine Senkung hin“. So seien auch in Hamburg in den vergangenen vier Jahren die Leistungen gedrückt worden.

In Kiel wie in Hamburg soll die Pauschale möglichst kostenneutral sein. „Ein Politiker bei uns hat gesagt, wir wollen den Unverschämten etwas nehmen, um es den Verschämten zu geben“, erläutert Feldmann-Jäger. Kostenneutralität, so halten Kritiker wie Martins und Barufke dagegen, bedeute, „dass man jenen, die bisher ihr Recht in Anspruch nahmen, etwas nimmt“.

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