: „Fördern und fordern“
Die grüne Sozialexpertin Thea Dückert schlägt für schwer vermittelbare Arbeitslose einen Eingliederungsplan vor – den muss der Erwerbslose dann aber auch annehmen
taz: In der SPD redet man über schärfere Sanktionen gegenüber Arbeitslosen. Wollen auch die Grünen etwas ändern?
Thea Dückert: Es gibt ja schon Sanktionen wie die Sperrzeiten. Diese Möglichkeiten müssen nicht verschärft werden.
Was schlagen die Grünen vor?
Es wird ja immer das Paar „Fördern und Fordern“ genannt. Wir müssen die Angebote verbessern. Die Orientierung sind da die skandinavischen Länder. Wir sind für Eingliederungspläne für Leute mit schlechten Arbeitsmarktchancen vom ersten Tag an. Man darf nicht erst warten, bis sie langzeitarbeitslos geworden sind. Dieses Recht auf einen Eingliederungsplan bedeutet, dass Verträge abgeschlossen werden zwischen dem Arbeitsamt und den Arbeitslosen. Der Arbeitslose wird dann entweder direkt in einen Job vermittelt, vielleicht mit Lohnkostenzuschüssen, oder bekommt eine Qualifzierungsmaßnahme. Er ist verpflichtet, an dem Eingliederungsplan teilzunehmen.
Solche Arbeitsmarktpolitik ist teuer. Wie soll das finanziert werden?
So teuer, wie man denkt, wird es nicht. Man muss eben Mittel umschichten. Wenn man die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit um nur einen Monat reduziert, bringt das schon über eine Milliarde Mark.
Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Woher kommt die gegenwärtige Drückeberger-Diskussion?
Die wird durch den Bundeskanzler und die abgeschwächte Wirtschaftsprognose gefördert. Es ist gewissermaßen eine Haltet-den-Dieb-Debatte.
In den Milieus der Linken kam es in den 70er- und 80er- Jahren vor, dass Leute bewusst Phasen der Arbeitslosigkeit wählten. Damals regte sich keiner darüber auf.
Damals war die durchschnittliche Arbeitslosigkeit viel geringer. Da gab es schon diese Vorstellung: Ich gehe mal ein halbes Jahr raus. Die Transferleistungen waren eingebettet in eine relativ gerade Berufsbiografie. Heute ist die Unsicherheit aber viel größer geworden. Leute fallen ungewollt aus dem Arbeitsmarkt heraus und fangen dann an, sich zu arrangieren. Aber das ist eine andere Soziokultur als das Milieu, wo man sich früher mal bewusst für Auszeiten entschied.
Auch die Grünen sind für eine Reform der Sozialsysteme. Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen mittelfristig zusammengelegt werden. Bedeutet das dann auch Kürzungen, beispielsweise bei der Arbeitslosenhilfe?
Wir müssen über eine Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu anderen Strukturen, zu einer Grundsicherung, kommen. In Einzelfällen mit hoher Arbeitslosenhilfe kann das schon Einschnitte bedeuten. INTERVIEW:BARBARA DRIBBUSCH
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