schlossplatz: Elitäre Modelle für die Mitte
Ohne Zweifel darf man der Expertenrunde redliches Bemühen unterstellen, sich um die zukünftige Nutzung des zentralen Schlossplatzes zu kümmern. Doch wie bei Goethe ist auch die Kommission nach dieser Sitzung kaum klüger als zuvor. Mit ihrer Einladungspraxis hat sie die Chance verspielt, sich über mehr als das nur Bekannte unterrichten zu lassen. Oder glaubte einer, ein strammer Museumsdirektor wie Peter-Klaus Schuster und die Wissenschaftler der Humboldt-Universität würden ein Plädoyer halten, am Schlossplatz ein Centre Pompidou des 21. Jahrhunderts entstehen zu lassen? Wohl kaum.
Kommentar von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Mit dem Schaulaufen der Kultureliten Berlins hat sich die Kommission in eine Lage gebracht, aus der sie nur schwer wieder herausfinden kann. Das Angebot, am Schlossplatz Museen, Bibliotheken, ein Theater des Wissens oder gar Konzertsäle und Einrichtungen der politischen und kulturellen Forschung aufzuzäumen, hat Gewicht. Es appelliert zugleich an die sehr deutsche Eigenschaft und Tradition, die Welt mittels einer „Bildungslandschaft“ wieder mit Idealen zu terrorisieren. Wofür andere Länder Armeen brauchen, das erledigen hier die Pädagogen, hat der Lehrer Peter Sier einmal gesagt. So viel Bildungswahn am Schlossplatz – als wolle man Old Humboldt, Fritze Schiller und das 19. Jahrhundert wiederbeleben – muss bei der Kommission Spuren hinterlassen. Zumal in ihren Reihen eingefleischte Verfechter des Gestern sitzen. Kultur und Fun, wie etwa in der angelsächsischen Tradition, schließen sich in Postpreußen aus.
Das elitäre Modell einer Bildungslandschaft ist eine Sache. Zugleich tut die Kommission der Stadt mit der Akzeptanz eines derart dominaten Kulturkonzepts keinen Gefallen. Zwar propagiert jeder Museumsmann und jede Bibliotheksfrau mit ihrem Programm „urbane Lebendigkeit“ am Schlossplatz. Das kommt einem Euphemismus gleich, schaut man sich einmal in anderen europäischen Kulturzentralen um. Der Prado ist nachts so dunkel wie die Straßen Hanois, der Louvre versinkt nach 20 Uhr im Schlaf und nach London will eh keiner mehr. Hätte man sich das in der Kommission nicht auch berichten lassen können?
Bildung und der Wunsch nach kulturellem Austausch sind ein notwendiger Katalysator unserer Zivilisation. Zum Monopol elitärer Bildungsfanatiker geworden, schließt er all jene aus, die gerade der Kultur bedürfen. Will man die mit auf den Schlossplatz ziehen, braucht es andere Konzepte. Darüber oder davon hat sich die Kommission nichts berichten lassen.
Sie hat sich aus dem bestehenden Dilemma, was denn der Ort für Berlin einmal sein und werden kann, nicht befreit – oder gar nicht befreien wollen. Fehlt ihr der Mut oder die Vision? Oder beides?
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