: Da machte sie die Schule dicht
Eine Duisburger Rektorin ist von Disziplinarmaßnahmen bedroht. Weil die Behörden ihr nicht im Kampf gegen Schimmelbefall helfen wollten, quartierte sie die Schüler aus. Kein Einzelfall: In NRW gilt die Hälfte aller Schulgebäude als sanierungsbedürftig
aus Duisburg ISABELLE SIEMES
Mehr als zwei Jahre lang kämpfte die Duisburger Rektorin Gerlinde Fünders vergeblich mit den Behörden wegen Schimmelpilzbefalls ihrer Schule. Ende März zog die Leiterin Konsequenzen und sperrte die Tore ihrer Lehranstalt eigenmächtig zu. Die Schulaufsicht droht ihr nun mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen: Sie habe unnötig Ängste bei Eltern geschürt und dem Ruf der guten Schule geschadet.
Ein neuer Hausmeister hatte die wuchernden Kolonien bereits Anfang 1999 im Keller entdeckt, in dem nachmittags Schüler betreut wurden. Die Leiterin alarmierte das Schulamt. Die Beamten erscheinen im Dezember 1999 zur Ortsbesichtigung. „Sie haben die Sache heruntergespielt und mir zu verstehen gegeben, ich solle kein Aufhebens davon machen“, erzählt Fünders. Doch die Direktorin ließ nicht locker und erreichte, dass im Herbst 2000 die muffig riechenden Gewölbe vom Düsseldorfer Institut für Innenraumdiagnostik untersucht wurden.
Die Wissenschaftler entdeckten im Untergeschoss des Gründerzeitbaus giftige Schimmelpilze mit beeindruckenden Namen wie Aspergillus versicolor, Wallemina und Trichoderma – und das vor allem in beeindruckend großen Mengen. Gutachter Wolfgang Lorenz stellt in seinem Bericht zudem fest: „Mikrobielle Schäden in Kellerräumen führen meist auch zu gesundheitlich relevanter Belastung der oberen Etagen.“ Fünders findet darin ihre Befürchtungen bestätigt: „Drei Kinder sind bereits an Asthma erkrankt.“
Zusammen mit Lorenz’ Ergebnissen lag die Empfehlung des Schulverwaltungsamtes im Briefkasten: Die Räume im Untergeschoss sollten bis zur Sanierung nicht mehr genutzt und die Kellertür verschlossen werden. „Daraufhin habe ich die Tür geschlossen, aber nicht die vom Keller, sondern die Haustür“, sagt die 56-jährige Schulleiterin resolut. Amtsleiter Horst-Wilhelm Hellwig hatte ihr mitgeteilt, dass er wegen der angespannten Haushaltssituation der Stadt „keine Perspektive auf eine zeitnahe Sanierung“ geben könne. Dabei schreibt das Bundesumweltamt vor, dass krankheitserregende Schimmelpilze, wie etwa Aspergillus fumigatus, in Innenräumen nicht vorkommen dürfen und bei Befall sofort saniert werden muss. Fünders bestellte Lehrer und Eltern zum Kriegsrat. Flugs wurden Ersatzräume für die 230 Schüler organisiert – unter anderem in Kirchengemeinden. Dort erhielten die Pennäler bis zu den Osterferien Unterricht.
Unterdessen hat die Schulverwaltung eine neue Messung vorgenommen und konnte, wie bei ihrem ersten Ergebnis, keine Gesundheitsgefahren in Erd- und Obergeschoss finden. Abermals empfehlen die Beamten den Keller zu verschließen – bis zum Abschluss der Sanierungen. Wann die allerdings beginnen sollen, konnte das Amt auch diesmal nicht sagen.
Die Behörden sind unter Druck geraten und drohen jetzt mit Diziplinarstrafen. Vielleicht aus Angst, Fünders’ Beispiel könnte Schule machen. Denn nicht nur in der Grundschule Ruhrort, an 50 weiteren Schulen in Duisburg besteht nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Verdacht auf die giftigen Sporensprüher. „Insgesamt sind in Nordrhein-Westfalen die Hälfte aller Schulen sanierungsbedürftig“, erklärt Renate Böse, Vizevorsitzende der NRW-GEW. 75 Prozent der Gebäude seien über 25 Jahre alt, und die Städte hinkten mit den Sanierungen hinterher. Fünders bleibt furchtlos und rät betroffenen Kollegen zum gleichen Schritt. Das Recht dazu haben sie, bestätigt Böse von der GEW: „Wenn Gefahr im Verzug ist, kann der Schulleiter eigenmächtig die Schule schließen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen