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Die PDS nutzt ihre Sünden

Angekündigt war eine Entschuldigung für die Zwangsvereinigung von KPD und SPD. Doch so direkt sind die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer und ihre Berliner Landeschefin nicht. Trotzdem ist ihre Absicht klar: eine Koalition mit der SPD möglich zu machen

von CHRISTIAN SEMLER

Der Rhythmus der Gedenk- und Jahrestage wird immer kürzer. Kaum haben SPD und KPD 1996 des fünfzigsten Jahrestages ihrer nicht ganz freiwilligen Vereinigung zur SED gedacht, ist zum 55. schon wieder Eingedenken angesagt. Diemal haben Gabi Zimmer, Vorsitzende der PDS, und Petra Pau, Vorsitzende des Landesverbands Berlin, die Initiative ergriffen. Gestern stellten sie der zahlreich erschienenen Presse ihre Einschätzung der fatalen Affäre des April 1946 vor.

Was sie zu sagen hatten, war als Entschuldigung gegenüber den Opfern der Zwangsvereinigung vorangekündigt worden. Um aus dem Dokument eine solche Entschuldigung herauszulesen, bedürfte es allerdings einer Interpretationskunst, die mit dem Stalinismus selbst untergegangen ist. Pau und Zimmer beziehen sich auf den Sonderparteitag der SED/PDS vom Dezember 1989. Damals hatte sich die Führung der Übergangspartei unter dem Einfluss entschiedener demokratischer Reformer verantwortlich dafür erklärt, dass der DDR-Wagen an den Baum gefahren worden war, und sich namens der SED „beim Volk der DDR“ für die „existenzgefährdende Krise unseres Landes“ entschuldigt. Heute, elf Jahre später, meinen Zimmer und Pau, dass eine solche Entschuldigung die Vereinigung von SPD und KPD einschließen sollte. Denn die Gründung und Formierung der SED sei auch „mit politischen Täuschungen, Zwängen und Repressionen“ vollzogen worden.

Sieht man vom relativierenden Gebrauch des Plurals („Zwängen“) ab, so entspricht diese Aussage gesicherter historischer Erkenntnis, der sich auch die PDS nicht mehr verschließt. Sie hat 1996 ein Dokument ihrer historischen Kommission veröffentlicht, das zum gleichen Ergebnis kommt. Allerdings unter Zurhilfenahme einer riesigen Balancierstange. Denn damals ging es um die „richtige“ Darstellung des Verhältnisses von Freiwilligkeit und Zwang. Und es galt auch, die spätere SED von ihrer Geburt her als einen Zwitter von Kaderpartei und Massenpartei zu porträtieren, einer Organisation, der es schließlich gelungen sei, sich am eigenen Schopf aus dem historischen Sumpf zu ziehen. Eine solche Vorgehensweise erforderte Kompromisse mit den Mitgliedern und der historischen Wahrheit.

Pau und Zimmer sind jetzt einen Schritt weitergegangen. Beide gestehen ein, dass die PDS schwer trägt an der Abrechnung von 1989/90. Indem sie auf die Zwangsvereinigung rekurrieren, wollen sie an die Katastrophe des von der SED vertretenen Sozialismusmodells erinnern. Insofern ist das Dokument an den eigenen Parteivorstand und die Mitglieder gerichtet. Der interessanteste Teil ihrer Erklärung ist der linken Opposition in beiden Parteien gegen das Vereinigungskonzept gewidmet. Pau und Zimmer zitieren die Warnungen von Mitgliedern der antistalinistischen KPD-Opposition und der Sozialistischen Arbeiterpartei, einer Abspaltung der SPD, vor einer stalinistischen Gleichschaltung – also genau vor dem, was sich später ereignete. Diese frühen linken Warnungen auf die heutige Situation übertragend, fordern beide Funktionärinnen eine plurale, dialogbereite Linke, nicht aber erneuten Einheitsschmus.

Hier wurde Petrau Pau deutlich. Auf die Entente cordiale von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi eingehend, meinte sie, eine neue demokratisch-sozialistische Parteifusion sei mit ihr nicht zu machen. „Die Misere der Linken“, zitierte sie aus dem gemeinsamen Dokument, ist nicht, dass sie in verschiedenen Parteien agiert. Sie besteht „in ihrer Spracharmut miteinander“.

Zimmer und Pau wandten sich vehement gegen die nahe liegende Frage, ob nicht mit ihrer gemeinsamen Erklärung das Terrain für eine Koalition mit der SPD nach den nächsten Landtagswahlen bereitet werden sollte. Ihr Desinteresse an möglichen Reaktionen der SPD war so übertrieben formuliert, dass die Sozialdemokraten insbesondere Berlins als zweiter Ansprechpartner der Erklärung leicht zu outen sind. An die Adresse der SPD richtete sich die Aufforderung, endlich mit der Aufforderung zum historischen Kotau Schluss zu machen. Und nicht umsonst zitierte Gabi Zimmer den ehemaligen demokratischen Oppositionellen und heutigen SPD-Bundestagsabgeordneten Edelbert Richter. Der forderte schon in den 90er-Jahren seine Partei auf, endlich „zu springen“, endlich ein eigenständiges Selbstbild zu gewinnen, statt sich ständig von der Abgrenzung zum Regime der SED zu nähren.

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