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Erbfolgekrieg entzweit die Union

Abgeordnete wollen sich den Nachfolger von CDU-Fraktionschef Landowsky nicht „auf dem Weg der Thronfolge“ diktieren lassen. Der Haushaltsexperte Kaczmarek hält sich eine Kampfkandidatur gegen Kronprinz Steffel ausdrücklich offen

von ANDREAS SPANNBAUER

Eigentlich galt die Thronfolge im ehemaligen Preußischen Landtag längst als geregelt: Sowohl der CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen als auch der scheidende Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky hatten sich Anfang April einhellig für den 35-jährigen Frank Steffel als kommenden Vorsitzenden der christdemokratischen Fraktion im Abgeordnetenhaus ausgesprochen. Diepgen persönlich versprach dem wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion auf einer Landeskonferenz der Jungen Union am 7. April: „Meine Unterstützung haben Sie.“ Und mit Landowsky, der ebenfalls seit längerem für den Reinickendorfer Unternehmer wirbt, verbindet Steffel nach eigenen Angaben ohnehin ein „väterlich-freundschaftliches Verhältnis“.

Doch gerade diese unverhohlene Unterstützung hat Steffel jetzt unerwarteten Gegenwind eingebracht. „Das Vorgehen von Diepgen und Landowsky wird von vielen Fraktionsmitgliedern als unangenehm angesehen“, kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Braun. Er spricht von einer „gewissen Verärgerung“ in den Reihen der Union. Der neue Fraktionsvorsitzende dürfe „nicht auf dem Weg der Thronnachfolge“ bestimmt werden: „Wir haben eine Vielzahl von guten Leuten.“

Bisher, so beschwert sich Braun, habe es „noch überhaupt keine Diskussion“ über die bevorstehenden Personalentscheidungen gegeben. Dies entspricht zwar zum einen der offiziellen Sprachregelung der Union, wonach ein unmittelbarer Rücktritt des umstrittenen Landowsky noch immer nicht auf der Tagesordnung steht. Zum anderen spiegelt das bisherige Schweigen in den Reihen der Parlamentarier aber auch die in der CDU bislang üblichen Problemlösungsstrategien wider, bei denen das eingespielte Duo Diepgen-Landowsky weitgehend den Ton angegeben hat.

Doch nun droht der Berliner CDU dieses unumstrittene Gravitationszentrum – ähnlich den Erfahrungen in der Bundespolitik nach dem Abgang Helmut Kohls – verloren zu gehen. Mit seiner Verärgerung steht Braun nicht allein. Es gebe „unterschiedliche Meinungen“ über den zukünftigen Vorsitzenden, sagt Martin Wind, Mitarbeiter der Fraktionspressestelle. Nicht alle der 75 Fraktionsmitglieder seien mit Steffel einverstanden. Auch die Wilmersdorfer Abgeordnete Anke Soltkahn moniert, dass „Herr Landowsky seinen Nachfolger wie einen Kronprinzen bestimmt, bevor es ein abschließendes Meinungsbild in der Fraktion gibt“.

Steffels Konkurrent im Kampf um den Fraktionsvorsitz steht bereits in den Startlöchern. Der parlamentarische Geschäftsführer Alexander Kaczmarek galt nach den Krönungsbekundungen der Unionsspitze bereits als abgeschlagen. Doch Kaczmarek, der sich vor allem als Finanzexperte einen Namen gemacht hat, hält sich eine Kandidatur weiterhin offen. Eine mögliche Bewerbung wollte der 38-Jährige gestern weder bestätigen noch dementieren: „Darüber spreche ich mit meinen Fraktionskollegen.“ Mehrere dieser Fraktionskollegen sollen Kaczmarek bereits zu einer Kampfkandidatur aufgefordert haben.

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