„Eigentlich nicht unwitzig“

Kunst der Beleidigung? Ein Satire-Plakat zur Lerchenwache beschäftigte gestern die Hamburger Justiz – allerdings nur kurz  ■ Von Kai von Appen

„Was, nur 100 Mark?“ Die als Zeugen geladenen Beamten der berüchtigten Revierwache 16 waren gestern die Einzigen, die über den Ausgang des Verfahrens gegen zwei Rote-Flora-Aktvistinnen sauer waren. Zuvor hatte Amtsrichter Burckhard Grosse das Verfahren gegen die 25 und 21 Jahre alten Frauen gegen Zahlung von 100 Mark an Amnesty International eingestellt. Die Rotfloristinnen waren vorigen Juli dabei erwischt worden, als sie ein als Amtliche Bekanntmachung – „Die Lerchenwache stellt sich vor“ – gestyltes Satire-Plakat zu Übergriffen von Rambos der so genannten 16E- und 16P-Schicht im Schanzenviertel verklebten. O-Ton: „,E' heißt jetzt ,P' und tut immer noch weh.“

Doch nicht wegen wilden Plakatierens, sondern wegen Beleidigung mussten sich die Frauen verantworten. Die Beamten der Wache 16 würden in „ihrer Ehre herabqualifiziert“, so der Vorwurf. „Es ist ja nicht unwitzig, aber es geht zu weit“, meinte auch Grosse. „Doch subjektiv liegen vielleicht sogar berechtigte Gründe vor – wenn ich da leben müsste, kann ich eine gewisse Verärgerung durchaus verstehen“, konstatierte der Richter und leitete damit den Rechtsexkurs ein. Zulässige Satire – also Kunst – oder Beleidigung?

Für Verteidigerin Gül Pinar, die bereits einen Stapel Beweisanträge in der Tasche hatte, kann das Plakat schon deshalb keine Beleidigung sein, da es „Tatsachenbehauptungen“ enthalte. Und gerade vor dem Hintergrund neuerlicher Mißhandlungen auf Wache 16 am vorigen 1. Mai könnte „Satire ein Mittel sein, die Öffentlichkeit wachzurütteln“. Pinar erinnerte, wie lange es gedauert habe, bis gegen die Polizeischläger nach diversen Übergriffen 1994 vorgegangen worden ist: „Die Staatsanwaltschaft hat sich mit Händen und Füßen gewehrt, ehe es aufgrund des öffentlichen Drucks zu Anklagen gekommen ist.“

Für Grosse liegt der „Fehler“ darin, dass nicht nur die Schläger karikiert würden, sondern alle Revierbeamten als „Schläger, Lügner und Gewalttäter“ dargestellt wurden. Nicht ganz ungewollt: „Wer wegschaut macht mit“, so die Frauen analog zu den Polizeikampagnen in ihrer Erklärung. Dennoch machte Grosse kurzen Prozess: „Ohne Präjudiz für den Sachverhalt“ stellte er das Verfahren zur Zufriedenheit aller ein. Mit Ausnahme der Beamten der Lerchenwache, versteht sich.