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Prophetenkult und Wanderdünen

Wenn es einen Science-Fiction-Stoff gibt, dem die Phrase „Kult“ noch gerecht wird, dann ist es Frank Herberts „Dune: Der Wüstenplanet“. Für 40 Millionen Mark wurde er als Dreiteiler mit Uwe Ochsenknecht von Pro7 neu verfilmt. (So., 20.15 Uhr)

von RALPH LENGLER

Kult hin oder her, laut Sci-Fi Experte Bernhard Kempen ist Dune nicht mehr als „eine handlungsarme und nicht sehr spannend zu lesende, oberflächliche Mischung aus ökologischen Gemeinplätzen, mystisch verbrämter Messiasgeschichte und aristokratischem Intrigendrama, die sich unbekümmert aus einem Potpourri von Weltreligionen und Ökovisionen bedient“ – das Buch zur Greenpeace-Spende, sozusagen. Doch Kempen irrt: Dune ist mehr als ein Ökodrama. Dune ist die Geschichte des Paul Atreides, der sich vom naiven Prinzen zum fanatischen Propheten wandelt und ein verschlafenes Wüstenvolk in den Dschihad führt. Paul, der Messias, der Erlöser. Unzählige Newsgroups, Foren und Websites beschäftigen sich unentwegt mit Philosophie und Mystizismus ihres Gurus Frank Herbert.

So viel Erfolg bettelt förmlich um eine Verfilmung. Die erste, vom chilenischen Exzentriker Alejandro Jodrowski, kam nicht weit: Er verpulverte in seiner Besessenheit sein gesamtes, nicht gerade unbedeutendes Budget schon in der Pre-Production. George Lucas kaufte daraufhin Jodrowskis Sets für ein Butterbrot, um damit die Anfangsszenen von „Star Wars“ zu drehen. Und auch der Stoff ging durch etliche Hände, unter anderem auch durch die von Ridley Scott. Irgendwann blieb er bei David Lynch hängen.

Lynch, der zuvor nur mit kleinen, intimen, aber auch sehr eigenen Produktionen auf sich aufmerksam gemacht hatte, nahm sich des Projekts mit Leib und Seele an. Pauline Kael, die Nestorin der amerikanischen Filmkritik, fand trotzdem, dass der David Lynch am Goliath Herbert gescheitert sei.

Das eigentliche Problem, das Lynch, wie auch alle anderen Regisseure, scheitern lässt, ist die Tatsache, dass ein achthundertseitiges Epos weder in 150 wie bei Lynch noch in 300 Minuten, wie in John Harrisons Pro7-Version verfilmbar ist – für die Fans, wohlgemerkt. Jegliche nicht (ganz) werkgetreue Verfilmung ist in deren Augen mit Ehebruch oder Vergewaltigung vergleichbar und muss ohne Gnade mit Steinigung des Regisseurs geahndet werden. Und es beschleicht einen die leise Ahnung, als ob Harrison, diese Taliban’schen Morddrohungen ernst genommen hätte: Seine Adaption krankt an ihrer Treue zum Original.

Man könnte jetzt einwenden, einen Lynch mit einer Fernsehproduktion zu vergleichen, wäre das Gleiche, als käme man nach der Gegenüberstellung von Schimanski und Bruce Willis zu dem Schluss, dass Letzterer eben doch besser sei. Harrisons „Dune“ hat aber im Gegensatz zum „Tatort“ den Anspruch, großes Kino zu sein. Das beginnt mit einem üppigen Produktionsbudget von vierzig Millionen Mark, geht über ein aggressives Merchandising bis zu einer Topbesetzung vor und hinter der Kamera.

Die Kamera (Oskarpreisträger Vittorio Storaro) wie auch das Set- und Productiondesign sind atemberaubend – solange die Szenen in Gebäuden spielen. Leider wurden alle Wüstenszenen aus Zeitmangel auch in den Prager Studios gefilmt, anstatt sie „vor Ort“ in Tunesien zu drehen. Die Wüste Tunesiens ist „Dune“. Jeder, der „Star Wars“ oder „Lawrence of Arabia“ gesehen hat, weiß, welche Intensität und Atmosphäre diese vermittelt. Doch der amerikanische Partner Sci-Fi-Channel bestand auf einer Premiere zu Weihnachten – also fielen alle Außenaufnahmen dem Zeitmangel zum Opfer.

Die Performance des Ensembles ist zwiespältig. Während die Liste der europäischen Schauspieler mit A-Namen brilliert, besticht die amerikanische durch ihre Drittklassigkeit. Schade eigentlich, dass die meisten Hauptrollen mit Amerikanern besetzt wurden. Insbesondere bei Alec Newman als Paul Atreides fragt man sich des Öfteren, ob er seine Rolle begriffen hat. Man hat das Gefühl, Paul Atreides möchte gar kein Prophet sein. Uwe Ochsenknecht hingegen überzeugt durch sein eindrückliches und charakterstarkes Spiel als Pauls erster Apostel. Es ist absolut glaubhaft, dass er keine Sekunde zögern würde, sein Leben für Paul zu opfern.

Bei der Gegenüberstellung der Versionen Lynchs und Harrisons wird ersichtlich, dass sie sich wie Ying und Yang verhalten. Es scheint, als ob die Schwächen des einen die Stärken des anderen Films seien. Lynchs extensiver Gebrauch innerer Monologe und Traumsequenzen macht die Psychologie eines Propheten erlebbar und verständlich, während Harrisons konventionellere Umsetzung die interplanetaren Intrigenspiele besser herauszuschälen versteht.

Insgesamt ist John Harrison und seiner Crew eine spannende und unterhaltsame Fernsehversion des Wüstenplaneten gelungen, welche im nächsten Jahr mit „Dune Messiah“ fortgesetzt wird.

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