: Länder gehen Milliarden durch die Lappen
■ Arbeitnehmerkammer: Betriebe werden zu wenig geprüft / Bremen testet relativ oft
Bremen ist spitze. Wirklich. Zumindest was die Häufigkeit von Betriebsprüfungen angeht. Das ergibt eine gestern veröffentlichte Studie der Arbeitnehmerkammer, die die Bundesländer in diesem Punkt miteinander vergleicht. Der Wermutstropfen: Auch wenn Bremen vergleichsweise viel prüft, lässt es sich, und mit ihm alle Bundesländer gemeinsam, viel entgehen. Rund 23 Milliarden Steuergelder könnten sie laut Studie zusätzlich einnehmen, stellten sie 10.000 Betriebsprüfer mehr ein. Weil sie das nicht tun, bleibt Deutschland für Betriebe eine „Steueroase“, so Hans Jürgen Kröger, Wirtschaftsexperte bei der Arbeitnehmerkammer und Autor der Studie.
Klein- und Mittelbetriebe werden in Bremen im Schnitt etwa alle 16 Jahre beziehungsweise alle acht Jahre geprüft – damit hängt Bremen alle anderen Bundesländer ab: Kleinbetriebe werden in Hamburg beispielsweise nur alle 25 Jahre, Mittelbetriebe nur alle zwölf Jahre kontrolliert.
Die meisten Einnahmen sind aber von den Großbetrieben zu holen. Hier liegt Bremen mit einer Prüfung etwa alle vier Jahre pro Betrieb an fünfter Stelle im Ranking; ganz vorne ist Bayern (alle 3,4 Jahre), ganz hinten ist Brandenburg (alle 6,6 Jahre).
Dass die einzelnen Länder nicht längst mehr Betriebsprüfer eingestellt und säumige Firmen abkassiert haben, liegt am Länderfinanzausgleich, der jegliche Motivation vermehrter Betriebsprüfung erstickt. Denn nimmt ein Land im Alleingang mehr Geld ein, kommt das wie alle anderen Einnahmen in den Topf des Länderfinanzausgleichs, der nach dem Umrühren auf Geber- und Nehmerländer verteilt wird. Unterm Strich bleibt für besagtes Land wenig bis nichts oder es müsste gar noch draufzahlen. Bremen müsste im Fall von 100 Mark, die es mehr an Steuern einnähme, 5,50 Mark draufzahlen, zitiert Kröger Zahlen des bayerischen Finanzministeriums.
Auch wenn Bremen in Sachen Prüfung relativ gut dasteht, gibt es nicht wirklich etwas zu loben. „Arbeitnehmer werden monatlich lückenlos überwacht“, sagt Kröger, „Kleinbetriebe gerade mal alle 16 Jahre.“ Er verweist auf die Forderung des Bundesrechnungshofes, „sämtliche Steuerquellen auszuschöpfen – also nicht nur die Einkünfte der Arbeitnehmer, sondern auch diejenigen der Gewerbetreibenden.“
Außerdem fordert Kröger und mit ihm die Arbeitnehmerkammer eine Regelung über die Häufigkeit und die Qualität von Betriebsprüfungen, die für alle Bundesländer verbindlich ist. Denn kassieren alle Bundesländer gemeinsam mehr Steuern, bleibt unterm Strich auch mehr übrig. sgi
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